Seitenbanner

Brief vom 3. Juli 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


174.


[294]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 3 Julli 1702.
Hertzliebe Louise, gestern abendts habe ich Ewern lieben brieff vom 22 Juni zu recht [empfangen], worinen Ihr mir leyder Carl Moritz todt berichtet, welches mir von hertzen leydt, undt beklage Eüch undt Amelise von grundt meiner seelen deßwegen. Ich wuste es schon, alß ich Ewer schreiben entpfungen; den morgendts hatte ich brieffe von ma tante, die fraw churfürstin von Braunsweig Liebten, entpfangen, so mir es bericht, welcher dießer fall auch sehr zu hertzen gangen. In solchen unglück ist nichts zu sagen. [295] Gott undt die zeit können allein trösten, in deßen schutz ich Eüch befehle undt bitte, daß Eüch gott der allmächtige, dem alles möglich ist, dieße betrübtnuß durch taußendt freüden ersetzen mögen, undt umb Eüch Ewer leyd nicht wider zu verneüen, will ich weitter nichts mehr vom armen Carl Moritz sagen, alß nur, daß ich glaube, daß er lenger gelebt hette, wen er weniger getruncken hette; aber es war sein verhengnuß so, auff dieße weiße zu sterben. Ich bin noch seyder meinem 3tagigen fieber recht kranck geweßen undt 5 acces vom fieber auff allerhandt art; weillen ich aber nicht weiß, wie man solche fieber auff teütsch weiß; den wie Ihr woll wist, liebe Louisse, so bin ich selten in Teütschlandt kranck geweßen, habe mich also wenig bekümert, wie die kranckheitten heißen; hir heist man aber, waß ich gehabt, acces de double quarte tierce et double tierce, sambt einen gar truckenen husten undt durchauß die stim verlohren. Ich habe gar nicht gebraucht, alles ist von sich selber vergangen; ich huste zwar noch undt rede gar heyßer, allein ich huste nicht mehr trocken undt werffe braff auß, hoffe also, daß ich baldt wider in volkommener gesundtheit sein werde, insonderheit weillen ich gar kein fieber mehr habe. Biß mitwog werde ich nach Marly. Der fraw von Ratsamshaussen hatte ich in meiner kranckheit ahnbefohlen, Eüch von allem nachricht zu geben, welches sie auch, wie ich glaube, gethan wirdt haben. Es ist woll gar nicht zu blamiren, daß Ihr betrübt über den todt Eweres eintzig überbliebenen bruder seydt undt solchen beweindt; daß erweist Ewer gutt naturel, welches etwaß rares bey itzigen zeitten ist, da man schir nirgendts kein gutt naturel mehr findt. Gott der allmächtige wolle Eüch trost verleyen! Waß eine solche betrübtnuß noch übels hatt, ist, daß es einem alles wider verneüert, waß man in seinem gantzen leben vor betrübte zufalle gehabt hatt, alß wens derselbe augenblick wider were. Ich weiß nur gar zu woll, wie einem zu muhte ist, beklage Eüch desto mehr undt wünsche, daß es gott der allmächtige beystehen möge, in deßen schutz ich Eüch befehle, undt behalte Eüch, liebe Louise, allezeit von hertzen lieb.
[296]
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 3. Juli 1702 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 294–296
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0174.html
Änderungsstand:
Tintenfass