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Brief vom 18. August 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


179.


[307]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 18 August 1702.
Hertzliebe Amelise, durch den letzten brieff, so ich ahn Louisse geschrieben, werdt Ihr, wo sie ihn Eüch gewießen, ersehen, wie schwerlich man zum schreiben hir gelangen kan; deßwegen habe ich auch nicht eher auff Ewer schreiben vom 3 andtworten können. Es ist kein wunder, wen man selten frantzösch spricht, daß man etlich mahl einen bustaben vor den andern setzt. Ich halte mein versprechen, Eüch Ewer Frantzösch zu corigiren, aber Ihr undt Louisse corigirt meine teütsche fraßen nicht, welche doch, wie ich glaube, der corection offt von nöhten haben; den ich rede selten teütsch undt verspüre woll, daß es mir nicht mehr so leicht ahnkompt wie vor dießem; also wen man mir nicht hilfft, werde ichs gewiß vergeßen. Den ob ich zwar alle tage in der teütschen bibel leße, einem psalm undt ein capittel im alten undt eines im neüen testament, so thut es doch nicht, alß wen man taglich spricht. Bey der Rotzenheüssern kan ich auch nicht recht reden lehrnen, den sie redt selber bitter übel teütsch; ich lerns ihrs eher, alß sies mir. Es ist sich nicht zu schämmen, daß man eine frembte sprache nicht recht kan; die muß man gehertz reden, umb corigirt zu werden, so lernt mans desto beßer. Mich wundert, da jetzt in Teütschlandt jederman frantzösch reden undt schreiben will, daß nicht beßer die ortograffe in acht nehmen. Wie kompts, daß Ihr ein frantzösch freüllen habt? Den daß seindt ordinarie gar schlegte edelleütte, so gar nicht mitt unßerm teütschen adel zu vergleichen sein; den wen hir ein burger ein charge de secretaire de roy kaufft, passirt er gleich vor ein gentilhome, undt zudem so nehmen sie nie die mißheürahten in acht, sondern heürahten allerhandt burgersmetger, auch woll gar bawerinen, wen sie nur gelt haben, seindt also offt mitt allerhandt handtwercksleütte verschwägert; die gemeine noblesse ist hir selber gar wenig geacht. [308]
Sontag den 20 August.
Ich hatte dießen brieff schon vergangen freitag ahnfangen; es seindt mir aber so viel verhindernüße dazu gestoßen, daß ich ihn ohnmoglich habe außschreiben können. Gott gebe, daß es nun geschehen mag! Coquetten weiber seindt nichts rares, ich glaube, man findt deren überal. Aber seyder wan ist man in Teütschlandt so gedultig geworden? Den die eltern zu meiner zeit hetten ihrer dochter in ihrer gegenwart so nichts gelitten. Ich erinere mich noch, wie man den vicekantzler Mieg außgelacht hatt, daß er seiner dochter Amelie alles gelitten hatt. Ich weiß nicht, ob der obermarschalck, deß churfürst von Maintz bruder, dern herrn Schemborn vatter ist, deren wir 3 hir gesehen haben, recht feine leütte undt die recht woll zu leben wißen; sie wahren thumherrn zu Maintz. Die seiltantzerin, so Ihr gesehen, heist sie nicht Squinquinelle? Vor 2 jahren habe ich eine gesehen, so so heist undt gar woll tantzt. Landtgraff Carl von Reinfels schwürmbt den alß herumb, wie ich sehe. Die Dingenheim hiesen wir vor dießem alß Manisch; sie ist bey der printzes von Cassel. Ich glaube, daß die Dingenheim undt Ewer freüllein ihre angen gleich werden beweißen können. Ich bin von hertzen fro, daß Eüch daß Schlangenbaadt so woll bekommen. Ich habe nun keine remedien von nöhten, bin, gott lob, in gar gutter gesundtheit; aber wen ich auch ein baadt von nöhten hette, würde es mir nicht erlaubt sein, ins Schlangenbaadt zu ziehen. Mein dochter erwahrt Eüch undt Ewer schwester nicht eher, alß auff zukomenden carnaval, habt also noch zeit, Eüch drauff zu bedencken. Es ist kein eintzig contrefait von meiner dochter, daß gleicht; vom hertzog von Lotheringen seindt auch keine gar gutte, aber noch beßer, alß von meiner dochter. Hirmitt ist Ewer schreiben einmahl vollig beantwort, mir also nichts mehr überig, alß Eüch undt Louisse von hertzen zu ambrassiren undt Eüch zu versichern, daß ich [Euch] allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. August 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 307–308
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0179.html
Änderungsstand:
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