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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille, sambstag den 7 Mertz.
Hertzliebe Louise, heütte morgen habe ich zwey von Eweren
lieben schreiben auff einmahl bekommen, daß vom 24 undt 27
Februari; werde heütte auff daß frischte andtwortten. Finde ich, wen
meine andtwort fertig wirdt sein undt ich auch ahn Amelisse werde
geschrieben haben undt mir noch zeit überig bleibt, werde ich daß
erste auch beantwortten, wo nicht, so werde ich es vor zukünfftigen
donnerstag sparen. Ihr macht mich gantz stoltz, daß Ihr mir sagt,
liebe Louisse, daß mein wollmeinendt compliment, so ich Eüch
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gebetten, ahn I. L. den churfürsten undt hertzog Ernst August zu
machen, so gar güttig ist auffgenohmen worden. Es ist war, daß
hertzog Ernst August sich überall sehr beliebt macht; hir hatt man
auch mehr von I. L. gehalten, alß vom churfürsten, sein herr
bruder. Es ist woll kein wunder, daß er über die königin, seine fraw
schwester, betrübt geweßen. Wen es auch nur daß spectacle
geweßen were, ein schön jung mensch so in 3 tagen gesundt undt
todt zu sehen, so solte es einem zu hertzen gangen sein, will
geschweygen dan eine geliebte schwester. Ich bin froh, daß der
churfürst undt dießer hertzog sich wider erholt haben; den also werden
sie desto fähiger sein, ma tante, der fraw churfürstin, trost
einzusprechen. Die posten gehen bitter übel, man kan sich gar nicht
drauff verlaßen. Daß tröst recht, daß Ihr mich versichert, daß
ich nun ruhiger sein kan. Ich wolte aber gern, daß ma tante nicht
zu Hannover im hauß were, wen die betrübte ceremonie vorgehen
wirdt, daß man den königlichen cörper hohlen wirdt. Ich bin fro,
daß ma tante wider unter die leütte kompt; den sie ist der
einsambkeit nicht gewont undt einsam sein erhelt die trawerigkeit.
Sagt man nun die audientzcammer? Zu meiner zeit sagte man die
pressentz; oder ist es noch etwaß anderst? Gott bewahre unß
gnädig vor fernerm unglücklichen fall! Ich forchte abscheülich vor
ma tante die trawerige ahnkunfft vom marchalck von Berlin undt
man hatt groß recht, ma tante zu persuadiren, nach Zel zu gehen.
Ich hoffe, Hamerstein wirdt mich nicht vergeßen bey seinem herrn;
den ich bin ja von seiner allerälsten kundtschafft undt habe ihn offt,
wie er noch ein kindt war, herumbgeschlept zu Iburg undt zu
Ossen. Amelisse brieff ist fertig, aber morgen hoffe ich auff Ewer
erstes liebes brieffgen zu andtwortten nach der predig; den heütte
ist es zu spat, ich muß nüber zu nachteßen bey dem könig.
Sontag den 8 Mertz umb 6 abendts.
Ich habe alleweill mein brieff ahn ma tante, die fraw
churfürstin, außgeschrieben. Nun will ich mein versprechen halten undt
auff Ewer schreiben vom 24 Februar andtwortten, liebe Louise!
daß nur noch sagen, daß ich heütte auch noch einen großen brieff
ahn die königin in Spanien geschrieben habe. Wie konte es anderst
möglich sein, liebe Louisse, alß daß ich große ängsten vor ma
tante außstehe, I. L. in einen so gar erschrecklichen undt
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erbarmblichen standt zu wißen, welches gar gefahrlich ist? den nichts ist
dem menschen schadtlicher vor die gesundtheit, alß übermäßige
[betrübnis]. Zudem so war mirs auch recht leydt vor die
königin s. selber; I. M. hatten mir in allen occassionen große
freündtschafft erwießen. Zudem so ist es genung, daß sie oncles undt
mein hertzlieb ma tante tochter war, umb sie herzlich lieb zu
haben. Es ist woll eine große gnade, so unß gott der allmächtige
gethan, unßere liebe tante, die fraw churfürstin, zu erhalten. Gott
stehe unß ferner bey! Der nahmen von Sybourg ist mir nicht
unbekandt, ich mag ihn vielleicht gesehen haben. Ich bin in einer
ungedult, daß ichs schir nicht außstehen kan, alle die trawerige
ceremonien zum endt zu wißen, undt wolte gern, daß ma tante eine
reiße nach Zel thäte. Ich kan leicht begreifen, wie Ihr alle mitt
ma tante geweint habt; von dem recit seindt mir gleich die augen
übergangen, will geschweygen den, wen ich es selber gesehen hette.
Ich bin doch fro, daß ma tante sich resolvirt, wider leütte zu
sehen undt pressentz zu halten. Ma tante ist der einsambkeit
nicht gewont, weren gewiß kranck vor melancoley geworden, wen
sie daß hetten gewohnen wollen. Es stundt in Ewerm letzten brieff
vom 27 Februar, daß ma tante beßer were. Ihr thut gar woll,
I. L. nie allein zu laßen; den es ist gar gewiß, daß sich die
trawerigkeit mitt der einsambkeit vermehret; leßen ist nicht so gutt, alß
sprechen. Ich dancke Eüch, liebe Louise, meine commission bey
I. L. den churfürsten undt hertzog Ernst August abgelegt zu haben;
bin fro, daß es Eüch ein freündtlicher gesicht vom churfürsten zu
wegen gebracht hatt. Ich habe I. L. nun lieber, alß ich sie gehabt
habe. Weillen er so viel sorg undt freündtschafft ahn seine fraw
mutter erweist, muß der herr doch ein gutt gemühte haben; bin
also fro, daß er wider woll ist. Verstandt hatt der churfürst, daß
ist gewiß; er ist aber trucken undt mißtreüisch undt daß zicht die
leütte nicht ahn sich. Ihr habt woll recht, zufrieden zu sein, daß
der churfürst keinen widerwillen gegen Eüch hatt. Gar vergnügt
wirdt ma tante nach dero verlust nicht leben können. Wen sie
gott nur gesundt erhelt undt daß sie nicht melancolische werden!
Liebe Louise, ich führe so ein stilles traweriges leben, daß ich es
ohne regret quittiren könte; insonderheit wen es ma tante nutzen
könte, würde ich warlich mitt freüden sterben, undt die liebe s.
königin würde schon mittel gefunden haben, über mich zu trosten,
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wie vor 2 jahren über hertzog Christian; aber ich kan leyder ma
tante mitt nichts trösten. Es ist war, daß ich gar einen kurtzen
athem bekomme; daß macht meine unerhörte fettigkeit. Ich erwart,
wie es der allmächtige mitt mir schicken will. Ich hoffe, ob gott
will, ohne mühe zu sterben, undt habe auch keine [lust], zu leben.
Ich bin Eüch näher, alß die s. königin Eüch war, liebe Louise!
also billig, daß Ihr mich ungerner verliehrt, aber die s. königin war
ma tante naher, alß ich ihr bin. Jedoch glaube ich, daß sie sie
[nicht] mehr geehret undt respectiret hatt, alß ich thue undt all
mein leben thun werde. Eüch habe ich von hertzen lieb, sage Eüch
großen danck vor Ewere gutte wünsche. Gesundt kan ich woll hir
leben, aber vergnügt ist eine andere sach; aber man muß woll
allezeit mitt dem standt zufrieden sein, wo unß gott der
allmächtige in setzt. Ich bin der trawerigkeit so gewondt, daß sie mir
weniger schadet, alß ahn andere leütten; es ist mir damitt gangen
wie Mytridatte mitt dem gifft, es kan mich nicht mehr umbs leben
bringen. Aber Ihr, liebe Louisse, die nicht so sehr dran gewont
seydt, schondt Eüch beßer! Alles ist von ewigkeit her von gott
ordinirt, waß unß menschen geschehen solle. Gutte tage zu haben
oder nicht, stehet nicht bey unß, sondern wie unßer herrgott es
über unß vorsehen hatt, in deßen schuts ich Eüch befehle, liebe
Louise, undt so lang ich in dießer ellenden welt leben werde, werde
ich Eüch von hertzen lieb behalten.