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Brief vom 7. März 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


232.


[374]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille, sambstag den 7 Mertz.
Hertzliebe Louise, heütte morgen habe ich zwey von Eweren lieben schreiben auff einmahl bekommen, daß vom 24 undt 27 Februari; werde heütte auff daß frischte andtwortten. Finde ich, wen meine andtwort fertig wirdt sein undt ich auch ahn Amelisse werde geschrieben haben undt mir noch zeit überig bleibt, werde ich daß erste auch beantwortten, wo nicht, so werde ich es vor zukünfftigen donnerstag sparen. Ihr macht mich gantz stoltz, daß Ihr mir sagt, liebe Louisse, daß mein wollmeinendt compliment, so ich Eüch [375] gebetten, ahn I. L. den churfürsten undt hertzog Ernst August zu machen, so gar güttig ist auffgenohmen worden. Es ist war, daß hertzog Ernst August sich überall sehr beliebt macht; hir hatt man auch mehr von I. L. gehalten, alß vom churfürsten, sein herr bruder. Es ist woll kein wunder, daß er über die königin, seine fraw schwester, betrübt geweßen. Wen es auch nur daß spectacle geweßen were, ein schön jung mensch so in 3 tagen gesundt undt todt zu sehen, so solte es einem zu hertzen gangen sein, will geschweygen dan eine geliebte schwester. Ich bin froh, daß der churfürst undt dießer hertzog sich wider erholt haben; den also werden sie desto fähiger sein, ma tante, der fraw churfürstin, trost einzusprechen. Die posten gehen bitter übel, man kan sich gar nicht drauff verlaßen. Daß tröst recht, daß Ihr mich versichert, daß ich nun ruhiger sein kan. Ich wolte aber gern, daß ma tante nicht zu Hannover im hauß were, wen die betrübte ceremonie vorgehen wirdt, daß man den königlichen cörper hohlen wirdt. Ich bin fro, daß ma tante wider unter die leütte kompt; den sie ist der einsambkeit nicht gewont undt einsam sein erhelt die trawerigkeit. Sagt man nun die audientzcammer? Zu meiner zeit sagte man die pressentz; oder ist es noch etwaß anderst? Gott bewahre unß gnädig vor fernerm unglücklichen fall! Ich forchte abscheülich vor ma tante die trawerige ahnkunfft vom marchalck von Berlin undt man hatt groß recht, ma tante zu persuadiren, nach Zel zu gehen. Ich hoffe, Hamerstein wirdt mich nicht vergeßen bey seinem herrn; den ich bin ja von seiner allerälsten kundtschafft undt habe ihn offt, wie er noch ein kindt war, herumbgeschlept zu Iburg undt zu Ossen. Amelisse brieff ist fertig, aber morgen hoffe ich auff Ewer erstes liebes brieffgen zu andtwortten nach der predig; den heütte ist es zu spat, ich muß nüber zu nachteßen bey dem könig.
Sontag den 8 Mertz umb 6 abendts.
Ich habe alleweill mein brieff ahn ma tante, die fraw churfürstin, außgeschrieben. Nun will ich mein versprechen halten undt auff Ewer schreiben vom 24 Februar andtwortten, liebe Louise! daß nur noch sagen, daß ich heütte auch noch einen großen brieff ahn die königin in Spanien geschrieben habe. Wie konte es anderst möglich sein, liebe Louisse, alß daß ich große ängsten vor ma tante außstehe, I. L. in einen so gar erschrecklichen undt [376] erbarmblichen standt zu wißen, welches gar gefahrlich ist? den nichts ist dem menschen schadtlicher vor die gesundtheit, alß übermäßige [betrübnis]. Zudem so war mirs auch recht leydt vor die königin s. selber; I. M. hatten mir in allen occassionen große freündtschafft erwießen. Zudem so ist es genung, daß sie oncles undt mein hertzlieb ma tante tochter war, umb sie herzlich lieb zu haben. Es ist woll eine große gnade, so unß gott der allmächtige gethan, unßere liebe tante, die fraw churfürstin, zu erhalten. Gott stehe unß ferner bey! Der nahmen von Sybourg ist mir nicht unbekandt, ich mag ihn vielleicht gesehen haben. Ich bin in einer ungedult, daß ichs schir nicht außstehen kan, alle die trawerige ceremonien zum endt zu wißen, undt wolte gern, daß ma tante eine reiße nach Zel thäte. Ich kan leicht begreifen, wie Ihr alle mitt ma tante geweint habt; von dem recit seindt mir gleich die augen übergangen, will geschweygen den, wen ich es selber gesehen hette. Ich bin doch fro, daß ma tante sich resolvirt, wider leütte zu sehen undt pressentz zu halten. Ma tante ist der einsambkeit nicht gewont, weren gewiß kranck vor melancoley geworden, wen sie daß hetten gewohnen wollen. Es stundt in Ewerm letzten brieff vom 27 Februar, daß ma tante beßer were. Ihr thut gar woll, I. L. nie allein zu laßen; den es ist gar gewiß, daß sich die trawerigkeit mitt der einsambkeit vermehret; leßen ist nicht so gutt, alß sprechen. Ich dancke Eüch, liebe Louise, meine commission bey I. L. den churfürsten undt hertzog Ernst August abgelegt zu haben; bin fro, daß es Eüch ein freündtlicher gesicht vom churfürsten zu wegen gebracht hatt. Ich habe I. L. nun lieber, alß ich sie gehabt habe. Weillen er so viel sorg undt freündtschafft ahn seine fraw mutter erweist, muß der herr doch ein gutt gemühte haben; bin also fro, daß er wider woll ist. Verstandt hatt der churfürst, daß ist gewiß; er ist aber trucken undt mißtreüisch undt daß zicht die leütte nicht ahn sich. Ihr habt woll recht, zufrieden zu sein, daß der churfürst keinen widerwillen gegen Eüch hatt. Gar vergnügt wirdt ma tante nach dero verlust nicht leben können. Wen sie gott nur gesundt erhelt undt daß sie nicht melancolische werden! Liebe Louise, ich führe so ein stilles traweriges leben, daß ich es ohne regret quittiren könte; insonderheit wen es ma tante nutzen könte, würde ich warlich mitt freüden sterben, undt die liebe s. königin würde schon mittel gefunden haben, über mich zu trosten, [377] wie vor 2 jahren über hertzog Christian; aber ich kan leyder ma tante mitt nichts trösten. Es ist war, daß ich gar einen kurtzen athem bekomme; daß macht meine unerhörte fettigkeit. Ich erwart, wie es der allmächtige mitt mir schicken will. Ich hoffe, ob gott will, ohne mühe zu sterben, undt habe auch keine [lust], zu leben. Ich bin Eüch näher, alß die s. königin Eüch war, liebe Louise! also billig, daß Ihr mich ungerner verliehrt, aber die s. königin war ma tante naher, alß ich ihr bin. Jedoch glaube ich, daß sie sie [nicht] mehr geehret undt respectiret hatt, alß ich thue undt all mein leben thun werde. Eüch habe ich von hertzen lieb, sage Eüch großen danck vor Ewere gutte wünsche. Gesundt kan ich woll hir leben, aber vergnügt ist eine andere sach; aber man muß woll allezeit mitt dem standt zufrieden sein, wo unß gott der allmächtige in setzt. Ich bin der trawerigkeit so gewondt, daß sie mir weniger schadet, alß ahn andere leütten; es ist mir damitt gangen wie Mytridatte mitt dem gifft, es kan mich nicht mehr umbs leben bringen. Aber Ihr, liebe Louisse, die nicht so sehr dran gewont seydt, schondt Eüch beßer! Alles ist von ewigkeit her von gott ordinirt, waß unß menschen geschehen solle. Gutte tage zu haben oder nicht, stehet nicht bey unß, sondern wie unßer herrgott es über unß vorsehen hatt, in deßen schuts ich Eüch befehle, liebe Louise, undt so lang ich in dießer ellenden welt leben werde, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. März 1705 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 374–377
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0232.html
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