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Brief vom 26. März 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


237.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 26 Mertz 1705.
Hertzliebe Amelise, vergangen sontag habe ich zwar Ewern lieben brieff entpfangen, aber ohnmoglich drauff antworten können, indem ich gar zu viel zu schreiben gehabt habe; den ich muste ahn ma tante, die fraw churfürstin, andtwortten, ahn ma tante, die fraw abtißin, schreiben, umb ihr ihrer fraw schwester brieff zu schicken, auff zwey große brieffe von der königin in Spanien andtwortten. Es geschahe mir noch etwaß verdrießliches mitt dießem brieff; wie ich schon 4 bogen geschrieben hatte undt den 5ten ahnfing, wurde ich gewahr, daß ich den respect vergeßen hatte undt zu hoch ahngefangen zu schreiben, muste also gantz von neüem wider ahnfangen undt die 4 bogen abcopirt. Dißes undt die [382] predig hatt mir alle meine zeit benohmen. Ich muste auch nohtwendig noch 2 brieff nach Paris schreiben, habe also Louise undt Ewer schreiben biß heutte sparen müßen. Nun aber werdet Ihr eine ordentliche andtwort bekommen. Ich weiß noch alle lutherische lieder undt reformirte psalmen, so ich gewust habe, undt singe sie noch offt. Ich leße auch alle tag in meiner teütschen bibel ein psalm, ein capittel im alten undt eines im neüen testament, bin also bibelfest genung. Die frantzösche catholische seindt bey weittem nicht wie die Teütsche, Spanier, Portugaisen undt Ittalliener. Erstlich so kan man sie nicht vor papisten schelten; den sie fragen dem papst gar nichts nach undt halten ihn nicht vor unfehlbar, sondern nur vor daß haubt der geistlichen. Man list fleißig die h. schriefft hir undt es ist gar nicht verbotten. Der popel hatt aberglauben, aber die ehrliche leütte undt leütte von condition gar nicht. Daß habe ich Eüch en passant sagen wollen; den ich sehe woll, daß Ihr meint, daß man hir ahn nichts rechts denckt. Es ist war, daß Ewer papir eine wunderliche form hatt; solte gemeint haben, wen Ihr nicht davon gesprochen hettet, daß Ihr Ewer schwester procespapir genohmen hettet, umb meinen brieff drauff zu schreiben. Man hatt recht woll gethan, die 3 gelehrte mäner zu ma tante zu schicken, I. L. waß vorzuschwetzen, so sie von den gedancken der abscheülichen ceremoni in abführung deß cörpers der seeligen königin in Preussen hatt abziehen mögen. Daß spielen ist auch gutt; den daß vertreibt auch die trawerige gedancken. Zu meiner zeit spilten I. L. nie im vorgemach, sondern allezeit in der pressentz. Ich hoffe, ob gott will, daß es nun überwunden ist. Unkraut seydt Ihr ja warlich nicht, liebe Amelise! Aber niemandts stirbt, alß wen die zeit da ist. Daß endt von Ewerm brieff daß heist man hir vne belle cheutte de fin. Ohne vexiren, es ist elegant. Ich bin nicht so geschickt, werde also nur bladt herrauß sagen, daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. März 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 381–383
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0237.html
Änderungsstand:
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