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Brief vom 2. Mai 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


245.


[391]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 2 May 1705.
Hertzliebe Louise, heütte morgen habe ich Ewern lieben brieff vom 21 April zu recht entpfangen, hette ihn schon vergangenen [392] dinstag haben sollen. Ich andtwortte heütte; den morgen wirdt es mir zu schwer fallen; den ohne den Ewerigen, liebe Louisse, muß ich morgen 7 brieffe schreiben, undt damitt ich die morgende post nicht verseümen möge, schreib ich heütte; den Ihr seydt nicht curieux genung, umb zu wißen, waß hir geht. Zudem so werde ich auch erst mein paquet morgen machen, also im fall waß rares vorgehen solte, so ich doch nicht glaube, könte ich es noch hinzusetzen. Letzte post habe ich Ewer undt Ewer schwester briff zugleich bekommen, auch beyde vor 8 tagen beantwortet. Mein husten ist weg gangen, wie ichs gedacht hatte. Ich bekümere mich wenig umb der docktoren ungedult. Wie ich den meinen gewehlt, habe ichs ihm zum vorauß gesagt, daß er keinen blinden gehorsam von mir zu fordern hette, daß ich ihm zwar erlaube, seine meinung zu sagen, sich aber nicht zu ärgern, wen ich sie nicht allemahl folge, daß meine gesundtheit undt mein leib mein seye, wolle ihn also gouverniren, wie ichs selber, apropo finde. Die docktoren müßen woll waß daher sagen von ihrer kunst, umb sich nöhtig zu machen; ich finde aber nichts gelehrters, alß die natur, laße also selbige walten; wen sie fehlt, alßden hatt sie hülff von nohten undt noch zeit genung, daß man sich mitt quackleyen plagt. Die docktor können kaum kranckheytten heyllen; wie wolten sie den selbige vorkommen! Wen man sich ahn daß docktoriren gewohnt, wirdt die natur faul undt man findt sich gezwungen, alle jahr wider daßelbe zu thun, welches ein ellendes leben macht. Alle artzeneyen seindt mir so zuwider, daß, wen ich eine medecin nehmen muß, kan ich die gantze nacht nicht schlaffen, undt wen ich sie genohmen, bin ich gritlich wie eine wandtlauß. Ich abrobire, daß man waß braucht, wen man kranck ist; aber ehe ich kranck bin, bringt man mich nicht dazu. Daß aderlaßen kan ich nicht vertragen, es benimbt mir gleich alle kräfften; ich muß gar kranck sein, wen ich zur ader laß. Mich deücht, in ma tante alter lest man nicht mehr ohne große nohtwendigkeit zur ader. Gott gebe, daß die zelische reiße glücklich undt woll ablauffen möge! Die frische lufft wirdt ma tante eher die hauptschmertzen benehmen, alß hundert aderläß. Eine contesse de Fiesque, so über 80 jahr alt geworden ist, hatt ihre zeit gehabt, wie ma tante, die fraw churfürstin. Ich estimire den hanoverischen hoffdocktor, ma tante frey herauß zu sagen, daß sie die aderläß nicht von nöhten haben; [393] den sonst die docktoren seindt so fro, wen sie waß zu ordonniren bekommen, daß sie es woll nicht auß der handt schlagen. Es ist keine kranckheit, die ma tante den schlaff verwehrt; es ist leyder noch die betrübtnuß, daß kan allein die zeit wider bringen. Vom graff von Nassau-Weilburg sage ich nichts mehr; es ist eine rechte ungemachliche sache mitt der neßelsucht. Ich bin fro, daß Ihr ein wenig verenderung gehabt habt, bey dem englischen envoyes zu eßen. In meinem sin undt nach meinem schmack richten die englische köche beßer zu, alß die frantzösche. Man macht sich offt lustiger in eine kleine, alß große geselschafft. Ich muß lachen, daß Ihr Eüch in meine protextion recommandirt; es ist etwaß gar vortheilhafftiges. Ich kan mich nicht dran gewohnen, daß reichsgräffinen ihren rang nicht mehr in Teütschlandt [haben]; daß ist recht ridicule. Hiemitt ist Ewer brieff, liebe Louise, gar exact beantwortet; bleibt mir nur überig, Eüch zu versichern, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. Mai 1705 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 391–393
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0245.html
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