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A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 10 May 1705.
Hertzliebe Louise, gestern habe ich Ewern lieben brieff von
Zel vom 25 April entpfangen. Ey, liebe Louisse, umb gotteswillen,
macht mir nicht so viel complimenten! Wir seyndt einander zu
nahe, umb so sehr zu complimentiren. Daß were schön, wen ich
Eüch undt Ewere schwester nicht beständig lieb hette. Ihr habt
mir beyde Ewer leben nichts zuwider gethan; ich habe Eüch von
Ewer kindtheit ahn lieb gehabt undt wie solte ich Eüch den jetzt
nicht lieb haben, da Ihr Eüch beyde durch Ewere tugendt von alle
estimiren macht, so Eüch nichts ahngehen, wie viel mehr von mir,
die ich Eüch ja, wie schon gesagt, so nahe bin undt nichts alß
zeichen einer wahren freündtschafft von Eüch beyden entpfange!
Mitt wem fährt den I. L. der churfürst von Braunsweig nach Zel,
daß I. L. nicht in dero fraw mutter kutsch sein? Ich glaube, daß
es nicht gemächlich ist, in der kutsch cartten zu spillen; den die
cartten fallen leicht. Es ist mir bang vor dem hertzog von Zel
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Libten; den wen die leütte von seinem alter ahnfangen zu endern,
ist es gar ein schlim zeichen. Churprintz undt printzes thun woll,
sich lustig zu machen. Ich habe daß lachen gantz verlernt, ist
gantz auß der moden hir. Schachspiel ist ein recht spil vor dem
churfürsten von Braunsweig; den da denckt man nur undt spricht
nicht. Daß kompt mir wunderlich vor, daß die hertzogin Zel den
nachmittags bett. Ich bin fro, daß mein compliment patte nicht
unahngenehm geweßen; den ich habe den gutten herrn von hertzen
lieb. Deß duc de Bretanien aderläß hatt übel zugeschlagen. Hir
laßen sie kindern von 3 mont zur ader. Der duc undt die duchesse
de Bourgogne seindt so jung, daß sie allem ahnsehen nach viel
kinder bekommen werden. Ich dancke Eüch sehr vor Ewerm
gutten wünsch, undt nachdem Ewer lieber brieff durchauß beantwortet
ist, sage ich nichts mehr, alß wie ich Eüch allezeit von hertzen
lieb behalte.