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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hanover.
Marly den 16 May 1705.
Hertzliebe Louisse, heütte morgen habe ich Ewer undt
Amellisse brieff zugleich entpfangen. Mich wundert, daß Ihr so regnigt
wetter habt; den hir haben wir seyder 14 tagen daß schönste
wetter von der weldt. Ich leße alß mitt freüden, wen ma tante
außfahrt; den die lufft dissipirt die trawerige gedancken. Es were
mir leydt, wen ma tante in Hernhaussen wohnen solte, ehe daß
gebäu drocken wehre; den in der weldt ist nichts ungesunders. Es
ist ein graff Brockdorff hir geweßen unter den gefangen. Der
hatt mir gesagt, Ihr hettet mir vor ihm undt seinen bruder
geschrieben; er were page bey der churfürstin zu Pfaltz geweßen.
Dießer graff ist gar nicht klein, ein langer raner mensch. Er sagt,
seine fraw mutter were der Leschenbrandt schwester geweßen. Ich
bin fro, daß es der Schleunnitz nicht geweßen, so ich gekandt, so
so eine abscheuliche that gethan hatt. Wen mich die fraw von
Degenfelt kenen solte, würde es Ihr woll kein wunder nehmen, daß
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ich mich interessire in waß herr Max s. ahngehen kan, den ich
allezeit vor meinen gutten freündt gehalten. Ich glaube, daß der
armen fraw von Degenfelt greülich andt nach Eüch undt Amelis
thun muß. Alles zerstrewet sich zu Franckfort, wie ich sehe.
Ich finde, daß es ein rechter trost ist, zu gedenken, daß alles
verhengt ist undt daß man nicht selber schuldig an sein unglück
ist, sondern unß alles von einer allmächtigen handt herkompt, daß
wir also nichts zu thun haben, alß unß in seinem willen zu
ergeben, in deßen schutz ich Eüch befehle. Wen Ihr mein gantz leben
wißen woldt, so lest mein brieff ahn Amelisse! Adieu, liebe Louise!
Seydt versichert, daß ich Eüch von hertz lieb habe!