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Brief vom 30. September 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


270.


[415]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Fontainebleau den 30 Septembris 1705.
Hertzliebe Amelise, vergangenen sambstag habe ich Ewern lieben brieff vom 18 zu recht entpfangen. Sontag, wist Ihr woll, kan ich ohnmoglich andtworten. Die sontagpost ist hir den sambstag; den die brieff müßen nach Paris. Ich bin fro, daß meine schreiben so richtig gehen. Daß bettbuch laße ich einbinden. Ich gehe wenig [416] mitt nonen umb undt bin mein leben nicht bey denen von St Cire geweßen. Eine von meinen cammerweiber hatt mir die körbger machen lernen. Ich kan nicht leügnen, daß man nicht doll[1] von den Jessuwittercolegium spricht; allein dortten wie anderwerdts, wer selber nicht desbauchirt ist, leydt keine gefahr, undt printz Talmont hatt mehr angst, alß gefahr, außgestanden. Nichts ist aber ordinarier in Engellandt, alß dießes laster, wie ich von Englander selber weiß. Auch alle die, so mitt mylord Portlandt nach Paris kamen, haben ein abscheulich leben mitt eben den desbauchen zu Paris geführt. Mylord Westmerland, mylord Raby undt noch 3 oder 4 andern haben sich hir nicht gescheüt, zu sagen, waß vor inclinationen sie hatten, wie man mir verzehlt. Wen Ihr Eüch vor den leütten grawen wolt, liebe Amelisse, müst Ihr mitt wenig leütten umbgehen. Bibel leßen thut dazu gar nichts. Ruffigny, der ein elster von der kirch von Charanton war, ist einer von den argsten von dießem handtwerck, undt sein bruder, la Caillemotte, welche reformirt wahren undt die bibel immer laßen, wahren ärger, alß keine, so hir sein, undt verstanden gar woll raillerie, wen man sie mitt vexirt. La Caillemotte sagte: Il faut bien que j’aime les hommes; car je suis trop lait pour estre aismes des dames. In Teütschlandt seindt auch viel, so ahn dießem laster hangen. Der graff von Sintzendorf, so envoyes vom keyßer hir geweßen, wen er einen wolgeschaffenen pagen sahe, endert er von farb undt war so außer sich selber, daß es eine schandt zu sehen war. Ihr fragt, warumb sie so verbottene freüden nehmen wollen; aber seyder Adam ist es so, daß die menschen lieber verbottene, alß erlaubte, speyßen genießen mögen, undt glaubt mir! in allen landen seindt solche Benjametter. Wir kommen alleweille von der hirschjagt undt werden gleich in die commedie vom Tartuffe. Adieu, liebe Amelisse! Seydt versichert, daß ich Eüch recht lieb habe undt allezeit behalte werde so woll alß auch Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. September 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 415–416
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0270.html
Änderungsstand:
Tintenfass