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Marly den 12 November 1705.
Hertzliebe Amelisse
[1], ich hatte gehofft, heütte eine exacte
andtwordt auff Ewern lieben brieff zu schreiben können vom 30 October,
so ich vergangen sambstag entpfangen hatte; allein wir haben
heütte so unerhört spät geßen, erst umb 3 ahn taffel, undt nach
dem eßen, muß ich gestehen, bin ich ein wenig entschlaffen, habe
also gar spät ahn ma tante geantwort, werde Eüch also nur in
großer eyll schreiben können. Mein husten ist lengst verbey, gott
sey danck! Aber wen die grimiche kälte so fortfährt, wie sie
seyder acht tagen hir ahngefangen, wirdt es woll wider neüe husten
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geben. Ich drinck all mein leben über eyß, aber nicht gar
erschrecklich kalt. Der churprintz ist ja noch in keinem alter,
serieux zu sein. Wen ein sach so gar starck ahnfangt, hatt man
wenig exempel, daß es dawerhafft ist. Gott gebe, daß meine
meinung hirauff nicht war werde! Es ist groß aparentz, daß die
churprintzes schwanger ist, weillen I. L. bey dem eßen übel werden;
werdens woll baldt gewahr werden. Madame Hauw gefehlt unßerer
churfürstin recht woll. Sie ist woll raisonabel, nichts nach butzen
zu fragen, weillen sie nicht schön ist. Mein gott, wie gehen die
sachen in dießer weldt! Die hertzogin von Zel war gebohren,
Amelise undt Eüch auffzuwartten können; nun wahrt Amelisse ihr auff.
Hirmitt ist Ewer liebes brieffgen doch vollig beantwort. Ich bitte,
liebe Louisse, last mich doch wißen, ob es nicht möglich were, ein
par schachteln mitt nürnbergisch pflaster zu bekomen undt mir auff
der post zu schicken! Suzon, madame Leclair, meiner amen
dochter, hatt viel leütte hir mitt geholffen, sie hatt aber keins mehr;
drumb hatt man mich sehr gebetten, mehr hollen zu laßen. Schreibt
mir auch, waß es kost! werde es bezahlen. Adieu, liebe Louisse!
Seydt versichert, daß ich Eüch recht liebe behalte!