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Brief vom 17. Dezember 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


284.


[430]

A mad. Amelie Elisabeth[1], raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 17 December 1705.
Hertzallerliebe Louisse, Ihr habt groß recht, zu glauben, daß mich verlangen würde, zu vernehmen, wie es mitt ma tante, der fraw churfürstin, gesundtheit stehet. Ihr habt woll gerahten, daß [431] es ein rohtlauffen werden würde. Gott lob, daß es woll abgeloffen undt I. L. sich woll davon befinden! Umb sich warm zu halten, bedarf man eben nicht, im bett zu sein; wen man nur einen watten nachtsrock ahntuht undt nicht, auß der cammer geht, hatt man warm; aber umb zu schwitzen, muß man zu bett liegen. Ich kan woll begreiffen, wie man daß bett nicht leyden [mag]; den mitt dem continuirlichen fieber muß ich auff sein; bin nur im bett, so lang ich schwitz, sonsten immer auß dem bett; den daß bett, wen ich nicht schlaffe, kan ich nicht drin dawern; gesundt oder kranck, wen ich nicht schlaffe, muß ich herauß; den es gibt mir sonst abscheülich kopffwehe. Ich klage mich auch nicht, wen ich kranck bin; den daß ist nur widerlich vor sich selber undt vor andere undt dint zu nichts. Ich bin auch gantz von ma tante opinion, daß man sich mitt keine docktoren plagen solle, wen man sein ordinarie remede hatt. Wen die leütte so gutten verstandt haben, wie ma tante, kan man selber judiciren, waß gutt oder böß ist. Bey I. G. unßern herr vatter s. habt Ihr daß vertrawen zu den docktoren nicht gelehrnt. Wo ist es Eüch den ahnkommen? Zu meiner zeit ware ma tante garderobe gantz nahe bey dero cammer; gestehe, daß ich es auch vor gefahrlich halte, daß die cammerweiber so weit sein. Ich schlaffe zwar allein in meiner cammer, aber die erste cammerfraw schlafft im cabinet undt ein camerknecht in der vorkammer; also wen man waß von nöhten hatt, kan mans leicht bekommen. Nichts in der weldt ist ungemächlicher, alß jemandts in der cammer zu schlaffen haben; aber nahe dabey incomodirt nicht. Ma tante zweyffelt nicht ahn Ewern zele vor dero gesundtheit, haben aber nicht gern die façon von einer kranken; auch ist es woll nicht ahngenehm. Der gantz hoff ist seyder montag zu Marly. Ich habe allein hir bleiben müßen; den vergangen sontag habe ich mir einen fuß vertretten undt so einen braffen burtzelbaum auffs knie gethan, daß ich montags weder auff einen noch andern fuß habe tretten können; so sehr war mein recht knie undt lincker fuß geschwollen. Es wirdt doch nun täglich beßer; hoffe, baldt wider gehen zu können. Daß man die reformirte kirch eingeweyet hatt, ist ein rechtes ahngenehmes fest vor Eüch undt Amelisse geweßen, weillen 4 predigen wahren, die Ihr so gern alle beyde hört. Alles ist nun so trawerig in der weldt, daß man der lustigen leütte, wie die freüllen Pelnitz ist, hoch nöhtig hatt. Vor [432] dießem war hertzog Ernst August sehr lebhafft undt lustig, solle aber nun gar philosophisch geworden sein. Ich hoffe aber, nun er die gastereyen wider ahnfengt, daß I. L. wider lustig werden werden. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Euch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Dezember 1705 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 430–432
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0284.html
Änderungsstand:
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