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Brief vom 2. September 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


326.


[474]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.

Versaille den 2 September 1706.
Hertzliebe Louise, wen ich Eüch nicht schreibe, könt Ihr woll gedencken, daß es mir absolut ohnmöglich geweßen. Heütte über 8 tag werde ich Eüch rechte zeittung von ma tante, der fraw abtißin, berichten können; den biß montag, ob gott will, werde ich mitt I. L. zu mittag eßen. Es ist zu hoffen, daß gott der allmächtige unßere liebe churfürstin noch lange jahre erhalten; wünsche es woll von grundt meiner seelen. So wunderlich durch einander zu eßen, konte ich auch nicht außstehen. Wie ich vor drey jahren kranck wurde, habe ich mir eingebildt, daß der wein von Piedmont mir daß fieber geben hatt. Melonen seindt eben nicht gar gesundt; sie geben mir aber eher den durchlauff, alß daß fieber. Bey dem dobelten tertianfieber fabelt man ordinari braff undt hatt starcke kopffschmertzen dabey. Ma tante, unßere liebe churfürstin, schreibt mir auch, daß Ihr gar bleich außsecht; aber daß kompt baldt wider, wen man nur ohne fieber ist. Man wirdt itzunder geschafftig zu Hannover sein, nun alle frembden dort sein. Man sagt im sprichwordt hir: A quelque chose [475] malheur est bon; also wirdt Eüch Ewere kranckheit manche mühe ersparen. Ich werde dem gutten ehrlichen monsieur Polier heütte Ewern brieff schicken; den wirdt ihn von hertzen frewen, daß Ihr Eüch seiner noch erinert. Womitt er sich ahm meisten erhelt, ist mitt dem tabackrauchen; alle tag nimbt er etliche pfeyffen taback. Vor ma tante war nicht zu fürchten; den die älter sein, erben selten eine kranckheit von einer jüngern person. Louisse hette es eher bekommen können. Es ist kein wordt war, daß mein sohn die armée nicht hatt ahnnehmen wollen. Er ist leyder nun vor Turin undt ich fürchte sehr, der printz Eugene, so ihm folgt, undt er werden einander teüffelsdings in die haar kommen; bin in rechten ängsten deßwegen undt dieße zeittung, so gestern ahnkommen, hatt mich mehr, alß einmahl, dieße nacht geweckt. Adieu, liebe Louisse! Ich wünsche, daß, wen Ihr dießen brieff entpfangen werdet, daß Ihr wider in volkommener gesundtheit sein mögt undt Ewere gutte naturliche farb wider haben. Seydt versichert, liebe Louisse, daß ich Eüch allezeit lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. September 1706 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 474–475
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0326.html
Änderungsstand:
Tintenfass