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Brief vom 16. September 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


329.


[478]
Versaille den 16 September 1706.
Hertzliebe Amelise, ich werde heütte auff Ewere zwey schreiben andtworten, ob ich zwar ein wenig mühe [habe], zu schreiben; den ich habe zwey tage lang nichts gethan, alß weinen über meins sohns unglück undt wunden; den ob man mir zwar sehr versichert, daß kein lebensgefahr dabey ist, so schmertzen mich doch seine schmertzen. Ich habe die augen so roht undt dick, daß ich schir nicht drauß sehen kan, wie leicht zu glauben ist. Ihr secht woll, liebe Amelisse, daß ich in dem standt, wo ich nun bin, daß ich nicht vexiren kan, wie Ihr. Were mir Ewer brieff in einer [andern] zeit kommen, würde ich braff drauff geantwortet haben; aber heütte kan [es] nicht sein, daß hertz ist mir zu schwer. Ich schicke Eüch aber meine andtwort auffs königs von Preussen compliment auff ein bladt apart, wie Ihr es begehrt. Daß ist alles, waß ich Eüch auff Ewer erstes schreiben sagen kan. Ich komme auff daß zweyte vom 7 dießes. Meint Ihr dan, liebe Amelisse, daß ich keine vexirerey verstehe, daß Ihr in sorgen vor Ewerm ersten brieff seydt? Ach ja, undt wen ich in guttem humor, vexire ich gern; aber wen ich trawerig bin, wie nun, kan es nicht rutschen. Im thal Josaphat werden wir einander wider sehen, aber in dießer weldt ist wenig aparentz dazu. Vom Schultes werde ich nichts mehr sagen. Er wirdt baldt weg, werde ihn vergeßen, alß wen ich ihn mein leben nicht gesehen hette. Die Westpfälinger seindt ordinari nicht so plumb. Ihr habt woll gethan, nichts durch ihn hollen zu laßen. Er hette es überzwerg gebracht; den er seüfft sich so voll mitt die kauffleutte, daß es ihm schir daß leben gekost hette; den er ist erschrecklich gefahlen, so daß man ihn hatt müßen zur ader laßen. Jederman lobt den cronprintz, aber der churprintz wirdt nicht so sehr gelobt. Ich bin nicht wie der chronprintz, ich rahte selten zum heüraht; den es sindt wenig, die gelingen. Alleweille schlegt es 8te; ich muß also schließen, umb mein paquet noch nach Paris [479] bey zeit zu schicken; kan also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch, liebe Amelise, allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. September 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 478–479
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0329.html
Änderungsstand:
Tintenfass