Seitenbanner

Brief vom 4. November 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


336.


[484]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Paris.[1]

Marly den 4 November 1706.
Hertzliebe Amelise, vergangen montag habe ich Ewer liebes schreiben vom 22 October zu recht entpfangen. Die posten gehen arger, alß nie, wie Ihr secht; den ich hette ma tante paquet schon den freitag haben sollen. Heütte habe ich daß vom 22 October entpfangen, es war aber nichts drin, weder von Ewer schwester noch von Eüch; bilde mir ein, daß daß beylager Eüch beyde zu geschäfftig macht. Ich habe vor einige zeit ein schreiben von Eüch, liebe [485] Amelisse, vom 24 August durch Lavigne bekommen. Er ist vergangenen montag wider weg, ich habe aber nur der zeit gehabt, ahn ma tante zu andtwortten durch ihn; den es wahr allerheyligenfest, muste in kirch. Lavigne hatt woll gethan, seinen nahmen hir in Weinberg zu vertrehen; den sonsten hette er vielleicht keinen pasport bekommen, wie er ihn nun hatt; ich habe ihm daß secret gehalten. Ich komme jetzt auff Ewer liebes schreiben vom 22 October. Mein sohn ist nun nicht allein gantz außer gefahr, sondern auch in volkommener gesundtheit, gott lob, undt wirdt zukünfftige woge wider hir sein. Er wirdt gar nicht lahm bleiben. Es hette übeller ablauffen können; den mein sohn schondt sich nicht. Ich wünsche woll von hertzen mitt Eüch, liebe Amelise, daß daß heßliche kriegsweßen einmahl ein endt nehmen möge; ich sehe aber leyder gar schlegten ahnstahlt dazu. Waß mich glauben macht, daß man kein unrecht hatt, zu glauben, daß Schweden gutt freündt mitt Franckreich ist, ist daß unerhörte lob, so man dießem jungen könig hir gibt. Lobenswehrt ist er, daß ist woll wahr; allein man lobt hir nicht, wen man nicht auff dieße seydt glaubt. Ma tante, die fraw churfürstin, schreibt mir, daß die churfürstin von Saxsen gar einen artigen cavalier nach Hannover geschickt hette. Keine reverentz zu machen, ist ein bawernstoltz, damitt man sich selber mehr dort[2] ahnthut, alß ahn andere; den je hoher [man] ist, je hofflicher muß man sein, damitt andere ein exempel [nehmen]. In der weldt kan man nicht höfflicher sein, alß unßer könig ist; aber seine kinder undt kindtskinder seindt es nicht. Könte ich mitt ehren nach Teütschlandt, würdet Ihr mich baldt sehen. Teütschlandt war mir lieber undt finde es nach meinem sin viel ahngenehmer, wie es weniger pracht undt mehr auffrichtigkeit hatte; nach pracht frag ich nichts, nur nach redtlichkeit, auffrichtigkeit undt warheit. Es schickt sich leyder nicht, daß ich wider in Teütschlandt soll. Man hatt mich, unter unß gerett, wider meinen gutten willen hieher gesteckt; hir muß ich leben undt auch sterben, ich mag woll oder übel sein, undt woll kein aparentz, daß wir einander in dießem leben wider sehen. Waß in jenem geschicht, weiß gott allein. Ich bin Eüch doch recht verobligirt, solches zu wünschen, undt werde Eüch allezeit von hertzen lieb behalten.
[486]
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. November 1706 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 484–486
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0336.html
Änderungsstand:
Tintenfass