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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.
Versaille den 29 October 1707, umb 9 abendts.
Hertzallerliebe Louise, ich habe heütte eine große freüde
gehabt, nehmblich zwey paquetten von ma tante undt eines von Eüch
zu entpfangen; den ich war schon gantz bang, nichts von der reiß
zu hören; dancke Eüch sehr, es mir mitt solchen umbstenden
bericht zu haben, habt mir, liebe Louise, einen rechten gefahlen dran
gethan, bin Eüch recht obligirt davor undt dancke gott den
allmächtigen von hertzen, ma tante so gnädig zu erhalten haben; habs
gewiß nicht dießen abendt in der kirch vergeßen undt unterdeßen,
daß die andern ihr Latein gesungen, habe ich unßern herrgott auff
gutt Teütsch gedanckt. Aber ich bin scandallisirt, liebe Louise, daß
Ihr so baldt müde werdt. Ich bin 10 jahr alter, alß [Ihr], undt
kan mich noch woll einen gantzen tag in caleschen undt kutschen
schüttlen laßen, ohne die geringste ungelegenheit davon zu
entpfinden. Zu meiner zeit wartten ma tante freüllen fleißiger auff,
alß sie nun thun. Ist es vielleicht, weillen sie nun freüllen undt
keine jungfern mehr sein? Ich habe noch zwey brieff zu schreiben,
muß also dießen wider meinen willen schließen undt dieß[mahl]
nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt
Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.