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Brief vom 1. Juni 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


423.


[104]
Versaille den 1 Juni 1709.
Hertzliebe Louisse, in dießer wochen habe ich Ewern lieben brieff vom 18 May zurecht entpfangen undt bin fro, darauß zu ersehen, daß meine schreiben auch so woll überkommen. Von Ewern complimenten will ich nichts mehr sagen, Ihr mögte sie sonst wider ahnfangen. Ich bin woll überdrüßig, daß Amelise so lang kranck ist, aber nicht, von ihrer kranckheit zu hören. Also bitte ich Eüch, liebe Louisse, immer fortzufahren, mir zu berichten, wie es mitt Amilise stehet. Daß der krampff so viel übel stifften kan, macht mich schir bang; den ich bin auch sehr mitt geplagt, kompt mir offt im halb,[1] alß wens mir den halß abtrehen wolte; den reibe ichs nur starck mitt der flache handt undt bin[de] sehnen von ellendt[2] umb den halß, so ma tante, unßere liebe churfürstin, mir geschickt, so vergeht es gar baldt. Gott gebe, daß Louise[3] beßerung je mehr undt mehr zunehmen möge! Heütte ist es nicht kalt, aber alle überige tage hatt man nicht ohne fewer sein können. Donner undt schloßen fehlen unß hir auch nicht, haben deren schir alle tag. Waß man von der pfaltzischen frucht ahn den Frantzosen verkaufft, wirdt zweyffels ohne vor die armée sein. Hir ist daß brodt noch sehr thewer. Von dem graff von Leiningen, so hir vor die religion solle gefangen geßeßen sein, habe ich mein leben nichts gehört. Es muß ein mißverstandt mitt sein; den frembte sagt man nichts von der religion undt er kan deßwegen nicht gefangen geweßen sein, er müst den gegen die catholische religion gar hart gesprochen haben undt ärgernuß geben haben. In kirchen aber, wen daß geweßen were, hette mans erfahren, undt ich habe kein wordt davon gehört. Ich fürcht, es seye etwaß dahinter undt ein mißverstandt. Ma tante wirdt woll außfinden, waß es ist, weillen er nach Hannover ist. Ich finde es gar nicht schön ahn I. L. dem churfürsten von Braunsweig, die reichsgraffen nicht nach ihrem standt zu tractiren; ich sehe nicht, waß vortheil I. L. dabey haben können. Es ist ein zeichen, liebe Louisse, daß Ihr Eüch zu Hannover beliebt gemacht habt, weillen der adel Eüch wider hin wünscht, kan aber woll leicht begreifen, wie Amelise standt Eüch [105] abhelt, wider hin zu gehen, welches mir leydt wegen der ursach undt darnach auch wegen ma tante, der fraw churfürstin, ist; den I. L. haben geselschafft von nöhten, umb in dero gutten humor zu bleiben undt nicht trawerig zu werden. Ihr jamert mich, daß Ihr so umb daß Ewerige bey Churpfaltz solicittiren must. Hir im landt, liebe Louisse, ist man schwartz gekleydt, wen man bey hoff ist; aber wen man nach Marly oder wen man reist, tregt niemandts schwartz, so alt man auch sein mögte, alß wen man in trawer ist. Ich fürchte, ich werde noch so baldt nicht auß der trawer kommen; den mein armer vetter de la Trimoüille ligt auff den todt; es ist der printzes von Tarante elster sohn. Ich bin persuadirt, daß er nicht so sehr von seiner brustkranckheit stirbt, alß von 9 aderläß, so man ihm in 2 mahl 24 stundt gethan;[4] er jammert mich sehr. Waß seyder ein jahr hir von bekandten gestorben ist, ist nicht zu zehlen. Man tregt so viel kapen nun, jung undt alte, daß Eüch daß keine mühe wirdt geben können, noch keine neüe flüße. Ich bin woll Ewerer meinung, daß man leicht ahm hoffleben müde kan werden, daß aber bey ma tante sein sehr ahngenehm ist. Die teütsche gazetten seindt beßer geschrieben, alß … dancke Eüch sehr vor alle, die Ihr mir schickt, sie divertiren mich recht. In dießem augenblick bringt man mir Ewer lieben briff vom 25 May, ich kan aber heütte ohnmoglich drauff andtworten; den wir seindt in der octave vom fronleichnamfest. Da muß man alle tag in kirch, kan also heütte unmöglich mehr sagen, alß daß ich bin undt bleibe die person von der welt, so Eüch undt Amelise ahm liebsten hatt, ambrassire Eüch alle beyde von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Juni 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 104–105
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0423.html
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