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A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 19 October 1709.
Hertzliebe Louisse, gestern habe ich Ewer liebes schreiben
von 1 dießes monts entpfangen. Es müßen Euch noch von meinen
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schreiben fehlen, den ich habe keinen eintzigen sambstag verbey
gehen laßen, ohne Eüch zu schreiben. Es ist lautter boßheit gegen
mir, daß man meine schreiben so unrichtig gehen macht. Man weiß
woll, daß ma tante schreiben meine gröste freüde sein, drumb
hudelt man mich so mitt. So lang Ewere augen so übel sein, bitte
ich Eüch, mir nur einmahl die wog zu schreiben, biß Ihr wider
recht woll werdet sein. Sagt mir nur ma tante gesundtheit undt
die Ewerige undt weitter nichts! den ich will Ewere augen
schonnen. Ich glaube, daß Ewere threnen Eüch mehr ahn den augen
geschadt haben leyder, alß die lufft von Hannover, hoffe, daß Ihr
wider gesundt werdt werden. Ich vernehme woll mitt hertzlichen
freüden, daß ma tante recht woll ist. Gott erhalte I. L. undt laße
sie lenger leben, alß mich! Ich erinere mich nicht, waß artigs
geschriben zu haben; ich weiß nicht, waß es war, schätze mich
glücklich, daß ma tante waß in meinen brieffen gefunden, so I. L.
gefahlen hatt. Madame Dangeau [sohn] hatt zwar einen schenckel
weniger, wirdt aber doch davon kommen.
[1] Alle, die auff beyden
seytten die ihrigen verliehren, jammern mich woll von hertzen. Ich
erfrewe mich mitt Eüch, liebe Louisse, daß alle Ewere verwanten
so woll davon kommen sein. Man hört so viel prophezeyungen deß
jahrs hir, daß ich nicht mehr weiß, welche ich geschrieben habe,
aber alle bestehen fest drauff, daß im jahr 1710 der friden solle
gewiß geschloßen werden. Gott gebe es! Ich kans aber nicht eher
glauben, biß ichs sehen werde. Es wundert mich nicht, daß Ihr
mager geworden. Lange betrübtnuß machen nicht fett; nichts macht
fetter, alß ein faul undt langweilliges leben. Ewere schreiben, liebe
Louisse, seindt gar nicht langweillig undt kaltsinig. Ihr schreibt
recht woll undt Ewere schreiben gefallen mir woll, den ich habe
Eüch von hertzen lieb.