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Versaille den 26 October 1709.
Hertzliebe Louise, vergangen dinstag war ich zu Paris undt
enpfing dort Ewern lieben brieff vom 8 dießes monts. Ich dachte,
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ihn gleich donnerstags zu beantwortten, allein mein brieff ahn ma
tante wurde so lang, daß ich ohnmöglich mehr schreiben konte,
habe es biß auff heütte verschieben müßen. Donnerstag abendts,
wie ich im vollen schreiben war, wurde ich noch mitt ein paquet
von ma tante, unßere liebe churfürstin, undt Ewern lieben brieff
vom 15 erfrewet, aber umb obgemelten ursachen habe ich beyde
vor heütte behalten, fange bey dem vom 8ten ahn; bin fro, daß
unßere brieffe endtlich wider ahnfangen, zu rutschen, den es war
ein betrübt undt gar langweilliges wehßen, keine schreiben mehr
von einander zu bekommen, aber vor den frieden werden sie doch
woll nicht gar recht gehen. Die belagerung von Mons ist nun gantz
zum endt. Wir werden sehen, ob dieß die schuldt war, oder nicht.
Ich glaube es nicht, sondern vielmehr aber, daß man es mir zu
leydt gethan hatt, den ich kene die leütte hir gar woll, aber
genung hirvon! Ich bin recht froh, daß Ihr niemandts von den
Ewerigen in der abscheülichen bataille
[1] verlohren habt. Alle tag
sehen wir offecirer auff krücken kommen, daß jammert einen recht.
Ein junger mensch, so mein page geweßen undt erst vor ein par
jahren in den troupen ist, ist da auch in krücken in meiner
cammer, daß jammert recht. Es ist auch ein edelman vom Elsaß da,
ein Wangen von geschlegt, der ist ebenso zugericht. Es ist
abscheülich alles, waß man nun hört undt sicht. Es ist woll eine
rechte betrübte zeit. Geht man auß dem hauß, folgen einem viel
armen nach, die schwartz von hunger. Alles wirdt mitt zettel
bezahlt, nirgendts ist gelt. Alles ist betrübt, nirgendts keine freüdt.
Biß auffs wetter ist alles trawerig nun. Aber last unß von waß
anderst reden! Man macht unß hoffen, daß die campagne zu endt
ist, also werdet Ihr nichts mehr vor Ewern neveu undt vettern zu
fürchten haben. Es frewet mich woll von hertzen, daß ma tante
wider gantz woll ist. Gott der allmächtige woll I. L. lange jahren
dabey erhalten! Wen es ist, wie ich es wünsche, werde ich
gewiß eher in jener weldt gehen, alß I. L. Ihr thut gar woll, Ewere
augen zu sparen. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben völlig
beantwordt, ich komme jetzt auff daß zweytte vom 15 dießes monts.
Es ist nur gar zu war, liebe Louisse, daß man unßere brieffe mitt
willen auffhelt, aber sie werden doch nicht verlohren undt man hatt
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mir eines von ma tante, der fraw churfürstin, vor etlichen tagen
gehen, so vom 2 September war, also über 6 wochen alt. Ich hatte
es gantz vor verlohren geschetzt. Ich hoffe, daß [des] churfürsten
von Braunsweig Liebten ahnkunfft den hoff lebendiger machen wirdt
und ma tante mehr verenderung geben. Daß I. L. noch so viel
vivacitet haben, macht mich hoffen, daß sie es noch gar weydt
bringen werden. Gott der allmachtige verley es! Wan Ewere
undt meine wünsche, liebe Louisse, mogten erfühlet werden, wirdt
ma tante gewiß über hundert jahr alt werden. Im Januari wirdt
der gutte ehrliche monsieur Polier 9[0] jahr alt. Er hatt den
verstandt noch so gutt undt net, alß wen er nur 40 jahr alt were,
undt gutt gedächtnuß, lest ohne bril, aber seine schenckel seindt
steiff worden undt sein gesicht waß bleicher, alß vor dießen,
anderst ist gar keine enderung ahn ihm. Ich halte ihn vor einen
rechten heylligen. Er lebt in einer gar großen gotsfurcht undt thut
alles guttes, so in seiner macht undt gewalt stehet, ist ruhig undt
lustig dabey, fürcht sich gar nicht vor den todt, ergibt sich gantz
in den willen gottes. Es wirdt mir recht leydt sein, wen ich ihn
verliehren werde. Ich wündtsche sehr, daß Ewere neüe cammer
Eüch woll bekommen möge undt Eüch bleiben möge, weillen Ihr
Eüch woll dabey befindt. Ich wollte gehrn, daß ma tante mitt nach
der Ghör
[2] ginge. Daß würde I. L. verenderung geben, den sie
seindt nicht, wie ich, ahn der einsamkeit gewont, daß macht I. L.
trawerige gedancken undt ahn dero verlohrne kinder gedencken.
Drumb wolte ich gern, daß man I. L. allezeit viel verenderung
machen könte. Hirmitt ist Ewer zweytes schreiben auch völlig
beantwortet, werde also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit
von hertz[en] lieb behalte.