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Brief vom 26. Oktober 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


445.


[135]
Versaille den 26 October 1709.
Hertzliebe Louise, vergangen dinstag war ich zu Paris undt enpfing dort Ewern lieben brieff vom 8 dießes monts. Ich dachte, [136] ihn gleich donnerstags zu beantwortten, allein mein brieff ahn ma tante wurde so lang, daß ich ohnmöglich mehr schreiben konte, habe es biß auff heütte verschieben müßen. Donnerstag abendts, wie ich im vollen schreiben war, wurde ich noch mitt ein paquet von ma tante, unßere liebe churfürstin, undt Ewern lieben brieff vom 15 erfrewet, aber umb obgemelten ursachen habe ich beyde vor heütte behalten, fange bey dem vom 8ten ahn; bin fro, daß unßere brieffe endtlich wider ahnfangen, zu rutschen, den es war ein betrübt undt gar langweilliges wehßen, keine schreiben mehr von einander zu bekommen, aber vor den frieden werden sie doch woll nicht gar recht gehen. Die belagerung von Mons ist nun gantz zum endt. Wir werden sehen, ob dieß die schuldt war, oder nicht. Ich glaube es nicht, sondern vielmehr aber, daß man es mir zu leydt gethan hatt, den ich kene die leütte hir gar woll, aber genung hirvon! Ich bin recht froh, daß Ihr niemandts von den Ewerigen in der abscheülichen bataille[1] verlohren habt. Alle tag sehen wir offecirer auff krücken kommen, daß jammert einen recht. Ein junger mensch, so mein page geweßen undt erst vor ein par jahren in den troupen ist, ist da auch in krücken in meiner cammer, daß jammert recht. Es ist auch ein edelman vom Elsaß da, ein Wangen von geschlegt, der ist ebenso zugericht. Es ist abscheülich alles, waß man nun hört undt sicht. Es ist woll eine rechte betrübte zeit. Geht man auß dem hauß, folgen einem viel armen nach, die schwartz von hunger. Alles wirdt mitt zettel bezahlt, nirgendts ist gelt. Alles ist betrübt, nirgendts keine freüdt. Biß auffs wetter ist alles trawerig nun. Aber last unß von waß anderst reden! Man macht unß hoffen, daß die campagne zu endt ist, also werdet Ihr nichts mehr vor Ewern neveu undt vettern zu fürchten haben. Es frewet mich woll von hertzen, daß ma tante wider gantz woll ist. Gott der allmächtige woll I. L. lange jahren dabey erhalten! Wen es ist, wie ich es wünsche, werde ich gewiß eher in jener weldt gehen, alß I. L. Ihr thut gar woll, Ewere augen zu sparen. Hiemitt ist Ewer erstes schreiben völlig beantwordt, ich komme jetzt auff daß zweytte vom 15 dießes monts. Es ist nur gar zu war, liebe Louisse, daß man unßere brieffe mitt willen auffhelt, aber sie werden doch nicht verlohren undt man hatt [137] mir eines von ma tante, der fraw churfürstin, vor etlichen tagen gehen, so vom 2 September war, also über 6 wochen alt. Ich hatte es gantz vor verlohren geschetzt. Ich hoffe, daß [des] churfürsten von Braunsweig Liebten ahnkunfft den hoff lebendiger machen wirdt und ma tante mehr verenderung geben. Daß I. L. noch so viel vivacitet haben, macht mich hoffen, daß sie es noch gar weydt bringen werden. Gott der allmachtige verley es! Wan Ewere undt meine wünsche, liebe Louisse, mogten erfühlet werden, wirdt ma tante gewiß über hundert jahr alt werden. Im Januari wirdt der gutte ehrliche monsieur Polier 9[0] jahr alt. Er hatt den verstandt noch so gutt undt net, alß wen er nur 40 jahr alt were, undt gutt gedächtnuß, lest ohne bril, aber seine schenckel seindt steiff worden undt sein gesicht waß bleicher, alß vor dießen, anderst ist gar keine enderung ahn ihm. Ich halte ihn vor einen rechten heylligen. Er lebt in einer gar großen gotsfurcht undt thut alles guttes, so in seiner macht undt gewalt stehet, ist ruhig undt lustig dabey, fürcht sich gar nicht vor den todt, ergibt sich gantz in den willen gottes. Es wirdt mir recht leydt sein, wen ich ihn verliehren werde. Ich wündtsche sehr, daß Ewere neüe cammer Eüch woll bekommen möge undt Eüch bleiben möge, weillen Ihr Eüch woll dabey befindt. Ich wollte gehrn, daß ma tante mitt nach der Ghör[2] ginge. Daß würde I. L. verenderung geben, den sie seindt nicht, wie ich, ahn der einsamkeit gewont, daß macht I. L. trawerige gedancken undt ahn dero verlohrne kinder gedencken. Drumb wolte ich gern, daß man I. L. allezeit viel verenderung machen könte. Hirmitt ist Ewer zweytes schreiben auch völlig beantwortet, werde also nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertz[en] lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Oktober 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 135–137
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0445.html
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