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Brief vom 7. Juni 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


476.


[180]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 7 Juni 1710.
Hertzallerliebe Louise, vor 3 tagen habe ich Ewer liebes schreiben vom 23 May zu recht erhalten, aber große mühe gehabt, zu leßen; den meine alte augen schicken sich gar nicht zu der weißen dinten, es ist eben, alß wen man mitt waßer geschrieben hettet. Sagt doch Ewerm secretarius, er solle schwärtzere dinten nehmen! Ehe ich Ewer schreiben beantworte, liebe Louisse, muß ich Eüch part geben von meines enckel Mademoiselle[1] ihr glück, die wirdt den duc de Bery heürahten. Vergangen montag kam der könig in mein cammer zu Marly undt declarirt es offendtlich; den tag vorher hatt man mirs heimblich gesagt mitt verbott, ahn keinem [181] menschen kein wordt davon zu sagen, I. M. wolten erst in 4 tagen declariren. Montag morgendts noch, wie ich zum könig ging, so medecin genohmen hatte, verbotten mir I. M., es ahn keinem menschen zu sagen, alß in zwey tagen, undt selben abendts kam alles herauß. Dinstag fuhr ich nach St Clou, unßere junge braut glück zu wünschen. Mitwog kam sie nach Marly; ihre fraw mutter undt ich führten sie zum könig, der ambrassirte sie undt pressentirt ihr den duc de Bery, welches die junge braut ein wenig beschämbt. Sie wirdt ein groß mensch werden, den sie wirdt den 20 Augusti erst 15 jahr alt werden undt ist schon 2 finger hoher, alß ich. Ihr breutigam ist just 9 jahr alter, alß sie, den im Augusti wirdt er 24 jahr alt werden. Man hatt nach Rom geschickt; so baldt die dispense wirdt ahnkommen sein, solle daß beylager sein. Ich gestehe, daß mich dießer heüraht woll hertzlich erfrewet. Daß ist alles, waß ich Eüch auff dießen text sagen kan, komme jetzt auff Ewer schreiben, werde aber in großer eyll beantworten; den ich muß mich auff morgen prepariren, daß ich, ob gott will, zum h. abendtmahl gehe. Ich bin fro, daß meine brieffe richtig ahnkommen, werde dießen noch geradt auff Franckfort schicken. Ihr werden auß einen meinen brieffen ersehen haben, wie ich deß herrn Ferdinants todt erfahren undt wie leydt es mir ist. Ich bitte, wen Ihr ahn seine schwestern, freüllen Charlotte undt freüllen Anne Catherin schreibt, so macht ihnen doch mein compliment hirüber! Ich solte sagen die fraw vom Velden[2] undt fraw von Wollmershaussen solte ich sagen, allein die ersten nahmen kommen mir alß erst im sin. Es verdrist mich recht, daß ich heütte kein zeit zu schreiben habe, den ich wolte gern viel sagen; allein wir seindt heütte schon anderthalb stundt in der kirch geweßen. Nichts ist schönner, alß die neüe capel.[3] Ein andermahl wollen wir von dießem allem reden, nun nur sagen, daß in freüdt oder leydt ich Eüch doch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Juni 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 180–181
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0476.html
Änderungsstand:
Tintenfass