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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 14 Augusti 1710.
Hertzallerliebe Louise, wie ich heütte dießen nachmittag auß
der kirch kam, habe ich Ewern lieben brieff vom 5 Augusti zu recht
entpfangen. Ihr habt mir einen rechten gefahlen gethan, gleich
wider zu schreiben, wovor ich Eüch nicht genung dancken kan;
den ich gestehe, daß mir bang war, daß auß dem geschwollen
backen ein rohtlauff werden mögte. Gott seye danck, daß nichts
drauß worden, undt erhalte I. L. lange jahren bey volkommen[er]
gesundtheit! Ihr könt mir schreiben, wen Ihr wolt, liebe Louisse!
Ewere schreiben seindt mir allezeit lieb undt ahngenehm. Ma tante
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hatt, gott sey danck, ein gutt temperament. Ich hoffe, daß es noch
lang wehren wirdt. Die gewohnheit ist die andere natur, drumb
schadt es ma tante nicht, alle[r]handt durch einander zu eßen. Ich
kan nicht gewohnen, daß churprintz undt churprintzes nicht mitt
dero herrn vatter undt groß fraw mutter zu Hernhaussen eßen.
Wen daß wetter gar schön, kan es nicht schaden, lang in der lufft
zu sein, contrarie, es stercket. Ich habe Eüch schon vor daß buch
von keyßer Leopolds leben gedanckt. Es wundert mich, daß Ihr
dießen brieff nicht entpfangen habt. Ich habe es zu schwer in
Einem bundt gefunden, habe es meinem buchbinder geben, umb es
abzutheillen. Wen es eingebunden wirdt sein, will ich es leßen,
dancke Eüch, liebe Louise, nochmahlen davor. Alle morgen, ehe
ich mich ahnziehe, leße ich 3 capittel in der luneburgische teütsche
bibel, eines im alten testament, ein psalm undt eines auß dem
neüen testament; kompt mir aber waß zu thun, leße ich mehr, alß
ein capittel, zum vorauß.
[1] Zum exempel morgen undt heütte kan
ich die bibel nicht leßen, drumb habe ich gestern 9 capittel geleßen
vor die 3 tage. Ich leße die bibel recht gern. Wir haben nichts
neües hir, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich
Eüch recht von hertzen lieb behalte.