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Brief vom 4. September 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


489.


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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hanover.

Marly den 4 September 1710.
Hertzallerliebe Louisse, vergangen montag habe ich Ewern lieben brieff vom 22 Augusti zu recht entpfangen. Mein schreiben seindt kein dancken werdt, ich müste ja ein böß naturel haben, wen ich auffhoren solte, Eüch lieb zu haben. Ich kene Eüch von kindtheit ahn undt seindt einander ja nahe genung, umb unß lieb zu haben. Zu dem auch so thut Ihr mir ja auch allen gefahlen, so in Ewerm vermögen stehen, welches zuneygung zu dem frembsten menschen von der weldt geben solte, will geschweygen den, wen man von Einem geblüdt ist. Von baron Willig werde ich nichts mehr sagen, laße ihn in seiner ruhe undt [hoffe], daß Ihr keine qual mehr mitt processen bekommen werdt. Gott sey danck, daß unßer lieben churfürstin gesundtheit sich erhält, undt gebe I. L. noch lange jahren so! Sie haben groß recht, nie zu klagen, daß [199] hilfft ja zu nichts. Wen man speist, wie mans gewont ist, schadt einem nicht; die gewohnheit ist die zweyte natur, wie Ihr woll wist, liebe Louisse! Ich werden mein gedachtnuß im alter nicht verliehren, den ich habe mein leben keins gehabt. Ich bin recht fro, liebe Louise, daß Ewere augen wider gutt sein. Hinfüro werde ich vorsichtiger mitt dem balsam von Augspurg umbgehen, 2 bouteillen seindt geschwindt verschwunden; den ich wuste nicht, wie man mitt umbgeht, Ihr hattet es vergeßen zu schreiben. Monsieur von Weissenbach ist schon hir weg. Ein oncle ist ihm gestorben, der setzt ihn zum erben ein. Bey itziger zeit seindt wenig lust undt freüden zu sehen, alle tag weniger. Es ist leyder zu wenig ahnsehen [zum] frieden. Ewer könig Carl hatt woll eine große schlagt gewohnen, alß die letzte war. Unßer könig undt königin in Spanien jamern mich von hertzen, meritiren nicht, so unglücklich zu sein. Ich erfrewe mich mitt Eüch, daß die cronprintzes von Preüssen, die Ihr so hertzlich lieb habt, einen printzen zur weldt bracht. Wir haben heütte gar eine lange jagt gethan, hatt 3 halb stundt gewehrt, war aber schön undt daß wetter auch. Ich muß mich noch von haupt zu füßen anderst ahnkleyden, umb zu deß königs nachteßen zu gehen, aber vorher muß ich noch nohtwendig 4 brieff schreiben. Adieu den, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt verbleibe immer, wie ich Eüch so offt versprochen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. September 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 198–199
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0489.html
Änderungsstand:
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