[199]
A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Marly den 7 September 1710.
Hertzliebe Louisse, heütte habe ich Ewern lieben brieff vom
29 Augusti zu recht entpfangen, werde in großer eyll drauff
andtwortten, den es hatt schon 7 geschlagen undt ich habe heütte noch
6 brieff vor dem nachteßen zu schreiben, undt ahn ma tante habe
ich schon nahe bey 22 seytten geschrieben, aber Ewer brieff soll
doch nicht unbeantwortet bleiben, liebe Louisse! Ich kan nicht
begreiffen, worumb die brieffe von Hannover eher hir ahnkommen,
alß die unßerige zu Hannover; daß solte doch gleich sein. Man
muß die meinen genawer examiniren, alß die ich entpfange. Wo
[200]
interesse regirt, seindt wenig tugenden zu rühmen. Die
großhertzogin undt ihre fraw dochter schreiben einander nie. Die
großhertzogin ist faul, mag nicht schreiben undt, unter unß gerett, fregt
wenig nach alle ihre kinder. Ihr zweytter sohn war keine zwey
tag hir bey I. L., so würden sie gantz brouillirt. Ich weiß nicht
einmahl, ob sie weiß, daß ihre fr. dochter die kinderblattern
gehabt hatt. Ich glaube, daß eben die ursachen, so Ihr meldet, liebe
Louisse, ursach sein, daß I. L. der printz von Birckenfelt ahn kein
heürahten gedencken kan. Churpfaltz ist ein gutter herr, daß ist
war; er solte aber seinen blackschmeißern
[1] nicht so viel gehör
geben. Ich weiß woll, daß die thumherrn residiren müßen, aber ich
meinte auch, daß es einem teütschen meister nicht erlaubt ist, jahr
undt tag auß Mergenthal
[2] zu bleiben. Der churfürst von Meintz,
so seine nahe verwanten zu thumherrn hatt, so gar feine leütte sein
(ich kene etliche leütte davon), hatt groß recht, den teütschen
meister nicht zum coadjoutter zu haben wollen. Daß buch war
nicht übel. Ich habe es nur vor meine gemachlichkeit endern laßen.
Ich habe Eüch schon geschrieben, wie daß der vom Weißenbach
wider von Paris weg undt nach Saxsen ist. Es ist mir leydt, daß
ma tante so gar einsam zu Herrnhaußen bleibt. Hiemitt ist Ewer
schreiben beantwort, nur noch sagen, daß ich Eüch, liebe Louise,
von hertzen lieb behalte.