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Brief vom 6. Oktober 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


494.


[204]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Versaille den 6 October 1710.
Hertzallerliebe Louisse, ich kan nicht begreiffen, warumb unßere schreiben 2 tag spatter bey Eüch ahnkommen, alß die Eüerige her, es solte doch gleich sein. Wen ich ein wenig nachmittags schlaffe, bekompt es mir woll, wen ich aber viel schlaffe, thut es mir gar nicht woll. Ich erschreck nicht, wen man mich auffweckt. Mich in schreiben zu eyllen, gibt mir nicht große ungelegenheit, liebe Louisse! Brech ich aber heütte eher ab, alß ordinarie, so wirdt es meiner handt schuldt sein; den seyder 3 tagen habe ich die handt [205] wie verstaucht. Ich habe die handt im schlaff vorgestern nachts unter mich gantz gebogen gebracht; die handt war mir wie lahm, wie ich sie hervorzog; heütte aber ist sie viel beßer, lest sich doch noch ein wenig fühlen; es wirdt aber woll baldt vergehen. Hir glaubt niemandts anderst, alß ich Eüch letztmahl geschrieben, alß gar ingnorente leütte, die ihr leben keine heyllige schriefft geleßen haben. Man kan keinen beßern wunsch thun, alß den Ihr mir thut. Außer die seelig machende gnade gottes ist alles vor nichts zu rechnen. Liebe Louisse, dancke Eüch gar sehr davor. Die thumherrn in Teütschlandt verstehen sich beßer, ein glaß wein bescheydt zu thun, alß waß religionspuncten betrifft. Die Jessuwitter hir glauben, wie ich undt mein beichtsvatter auch würde nicht aprobiren. Ich glaube, sie sagen nur, umb zu disputtiren. Es ist mir alß leydt, wen ich einen von ma tante brieffen verliehre, sie seindt mein gröster trost. Ich weiß nicht, wie man itzunder so difficultetten über die pasport macht, die man doch vor dießem gar leicht geben hatt. Ma tante geht offt in die nachtlufft, daß macht geschwollene backen, aber daß ist, gott lob, nichts gefährliches. Ich spatzire nicht gern die nacht, viel lieber bey hellem sonnenschein. Wir haben hir seyder 3 wochen daß schönste wetter, warmer, alß es in den hundtstagen geweßen. Den eyffer vor daß arbeytten kan ich nicht begreiffen. Hannover undt Herrnhaußen seindt nun ein klein Engellandt geworden, weillen alles so vol Engländer steckt.[1] Ma tante hatt mir von den artigen Englander geschrieben. Der chevallier muß übel erzogen sein worden, so sich bey dem churprintz hatt setzen wollen, ein Frantzos hette es nicht gröber gemacht; die [sind] itzunder gewondt, sich überall nieder zu setzen. Reiche leütte seindt leicht verwendt, meinen, nichts seye beßer, alß sie. Ich bin, wie Ihr, liebe Louisse! Ich kan daß wider-heürahten nicht begreiffen. Den entweder hatt man ursach gehabt, den verstorben zu lieben oder zu haßen. Hatt man ihn lieb gehabt, wie kan man den einen andern in deßen platz setzen? Undt ist man unglücklich geweßen, so kan ich nicht begreiffen, wie man es wagen kan, sich wider in die gefahr zu begeben, also kan ich daß wider-heürahten nicht verzeyen. Es sey, daß man hungers stirbt undt [206] jemandts findt, so einem woll brodt geben will, in dem fall ist es erlaubt, aber sonst nicht. Aber, liebe Louise, in dieß undt viel andern sachen volbringen die menschen nur, waß unßer herrgott über sie vorsehen hatt. Hir haben wir nichts, alß lautter trawerige zeitung. Unahngesehen meiner verstaugten handt habe ich doch vollig geantwortet auff Ewer liebes schreiben vom 29 September, bleibt mir nur überig, zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Oktober 1710 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 204–206
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0494.html
Änderungsstand:
Tintenfass