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Marly den 7 May 1711.
Hertzallerliebe Louise, hirbey bekompt Ihr noch ein glaßgen
mitt beaume, hoffe, daß es auch woll überkommen wirdt, undt werde
auch auff Ewer liebes schreiben vom 27 April andtwortten, worauß
ich sehe, daß Ihr meine schreiben woll entpfangt. Die kinderblatter,
glaube ich, haben nie so ein groß geraß in der weldt gemacht, alß
nun. Alle meine enckeln, auffs wenigst zwey buben undt daß elste
medgen in Lotheringen, haben die rottlen. Man hört undt sicht
nichts, alß trawerige sachen. Still sein schadt mir mehr, als fatiguen,
aber weinen ist mir nicht gutt. Ich beklage die gutte keyßerin
woll von grundt meiner seelen. Der konig hir ist in der that
christlich, aber in religionssachen sehr unwißendt, hatt sein tag deß
lebens die bibel nicht geleßen, glaubt alles, waß ihm pfaffen undt
falsche devotten sagen, also kein wunder, daß es so übel zugangen.
Man sagt ihm, es muß so sein, er weiß nicht beßer undt meinte,
sich zu verdamen. andere ahnzuhören.
[1] Es ist mir leydt, daß Ihr
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auch kranck seydt. Aber es nimbt mich nicht wunder, man hört
von nichts anderst, bin fro, daß Ihr nichts mehr fühlt. Mitt diette
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courirt man sich beßer, alß mitt hundert remedien,
[2] daß ist meine
eintzige [arznei]. Verzeye es Eüch gott, fro zu sein, kranck zu
werden! Daß ist nicht erlaubt, daß man sich kranck wünscht, aber
in den willen gottes ergeben daß ist billig. Es were mir von hertzen
leydt, wen Ihr gar kranck soltet werden. Ich bin nicht kranck,
aber auch nicht recht woll, habe die lincke seytte ein wenig dick;
da seindt die trawerige zeitten undt daß wetter schuldt ahn. Gott
verleye beßere zeitten! Dieße seindt warlich gar zu schlim. Aber
in welchem standt ich mich auch finden mag, werde ich Eüch doch
von hertzen lieb behalten.