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Brief vom 9. September 1713

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


593.


[339]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Fontainebleau den 9 September 1713.
Hertzallerliebe Louise, ob ich zwar gantz grittlich bin, daß mir zwey posten fehlen, so will ich doch mein wordt halten undt Eüch schreiben, so viel es mir möglich sein wirdt, fange bey dem frischten ahn. Daß gutte lob, daß ich von teütscher parolle bin, will ich nicht verliehren, wo mir möglich ist. Wie solte es mir mühe geben, Eüch zu schreiben, liebe Louise? Ich habe ja gar kein zwang dabey undt weiß, daß Ihr es nicht übel nembt, daß ich nur so viel schreibe, alß ich will undt der zeit habe, undt alles sage, waß mir im kopff kompt. Auff dieße weiße kan daß schreiben nie müsam sein. Dieselbe ursach, so mich Eüch hatt in Ewer kindtheit lieben machen, bestehet undt wirdt bestehen, so lang wir leben, müsten also woll groß ursachen sein, wen darin waß geendert solte werden. Freylich würdet Ihr es zu Ewern vortheil erfahren haben, wen ich hette churfürst sein können; aber es ist woll schimpfflich ahn Churpfaltz, seine schuldigkeit nicht hirauff zu thun, da er doch alles besitzt, daß I. G. mein herr vatter undt mein bruder s. beßeßen haben undt noch mehr dazu; hatt ja nun noch über daß hertzogthum Neüburg die Oberpfaltz, solte also nicht so karg mitt ungerechtigkeit sein. Daß kan unmöglich vom churfürsten herkommmen, der ein gutter herr ist; es müßen schelmen bey dem churfürsten sein, die von Ewere einkommen profittiren, interesse verdirbt allezeit alles guts. Wen der schlag einmahl gerührt hatt, so ist man nie sicher, nicht in einem augenblick zu sterben. Ich mögte gern wißen, in waß dießer churfürst sich einbildt, mehr zu sein, alß mein herr vatter, daß er einen größern staadt will führen, alß I. G. gethan, daß findt ich alber. Ich habe ahn den marechal de Villars vor Ewers schwagers leütte geschrieben. Ich wuste nicht, daß herr Hanibal Degenfelt auch todt ist. Wo ist dan der gestorben?[1] Ich bin fro, daß die fraw von Welden wider woll, bitte, sie wider von meinetwegen zu grüßen. Gott seye danck, daß ma tante wider so woll ist! Aber es ängstet [340] mich doch, keine brieffe zu haben. Deß armen abbé Reignes[2] todt ist schuldig dran, den der war eben so frisch, alß I. L. wahren, undt ein jahr jünger, daß ängstet mich recht. Umb mich ein wenig zu trösten, keine brieffe zu haben, überleße ich Ewern[3] letztes schreiben, wie woll I. L. damahl wahren. Ihr wist, daß es mir vorgeweßen, daß die melonen nichts guts thun würden thun. Gott gebe nur, daß es nicht wider kommen möge, undt verley mir baldt gutte zeittung! Ich kan nicht vor inquietuden schlaffen. Daß kompt mir recht wunderlich vor, daß eher frembten, alß deß churfürsten kinder, ahn dero taffel eßen, aber Ein jeden seine weiß gefehl,[4] daß überig bläst der wächter, wie die Rotzenheüsserin alß pflegt zu sagen. So viel ich jetzt auß ma tante undt Ewere schreiben spüre, so ist jetzt die freüllen Pelnitz mehr bey der churprintzes, alß ma tante. Da schlegt es 5, ich muß wegen der commedie schließen, nur noch sagen, daß, weillen daß helffenbeinen schächtelgen ma tante gefahlen, werde ich baldt waß schönners schicken. Ich werde es Eüch schicken, damitt Ihrs ma tante den tag ihrer geburtstag meinetwegen pressentiren mögt. Gott der allmächtige verleye, daß es I. L. in gutter gesundtheit ahntreffen möge! Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere, daß ich Eüch allezeit lieb behalten werde.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. September 1713 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 339–340
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0593.html
Änderungsstand:
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