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Brief vom 13. Dezember 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


751.


[686]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Londre.

Paris den 13 December 1715.
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich 2 von Ewern lieben schreiben auff einmahl bekommen, vom 2 December / 21 November undt vom 5 December / 26 November. Aber wie ich sehe, so geht die post noch doller bey Eüch, weillen Ihr in einem tag 4 von meinen brieffen entpfangen habt, nehmblich 3 durch die post undt einen andern noch hernach. Daß ist doch verdrießlich, die see ist es in meinem sin in allem. Ihr seydt die erste, so jemahlen gedanckt hatt vor einen filtz; aber die ich lieb habe, denen laß ich nichts vorbeygehen undt sag ihnen meine meinung dichte. Ey, liebe Louise, wen man alt undt nie schön geweßen, wie ich bin, ist es dan ein wunder, daß ich nicht darnach frage, ob die, womitt ich umbzugehen habe, mager oder fett, dick oder schmahl, schön oder heßlich sein? Ich muß nur gott dancken, wen man mich selber [687] leyden will; mir aber kompts nicht zu, so delicat zu sein, liebe Louise, insonderheit mitt denen, so man ursach zu lieben hatt sowoll wegen ihrer tugendten, alß proximitet. Daß ist gar keine tugendt, liebe Louisse, sondern nur die natürliche vernunft folgen. Es ist leicht zu rahten, warumb ich Eüch lieber, alß den herrn von Degenfelt, sehen mögte, wen man die ursachen betracht, warumb ich fro werde sein, den herrn von Degenfelt zu sehen, nehmblich weillen sein vatter, herr Max, mein gutter freündt geweßen undt mein herr vatter s. gedienet hatt. Wie viel mehr solle ich froh sein, wen ich Eüch, liebe Louise, sehen könte, die Ihr ja selber meines herrn vattern dochter seydt, mich lieb habt undt wir einander schon ahn unßerm hoff gekandt haben? Wie könt es dan möglich sein, daß ich Eüch nicht lieber sehen solt, liebe Louisse, alß den herrn von Degenfelt? Daß verhindert doch nicht, daß ich ihn auch gern sehen werde. Ich dencke, wie wir einander einmahl wider sehen könten, nehmblich wen ich noch ein par jahr leben könte undt nicht so sehr im ellendt stecken solte, alß nun, undt alßden ein reißgen nach Lotheringen thun, undt wen Ihr alßden zu Franckfort wehret, könte ich Eüch ein rendevous bey meiner dochter geben. So konte es noch woll geschehen, daß wir einander einmahl wider sehen mögten. Aber diß seindt, fürcht ich sehr, nur schlößer, in der lufft gebawet. Ich bin heütte morgen expresse umb 8 auffgestanden, habe gemeint umb halb 10, daß[1] ich in mein cabinet gangen, schreiben zu können; aber der diable au contretemps hatt mich heütte erschrecklich geplagt, 2 cardinal, der abgesante von Hollandt, dieße seindt alle nach einander kommen. Biß nach 12 hab ich in allem nur 9 lignien schreiben können. Nach der meß bin ich zu madame d’Orleans, so schwanger ist undt einen starcken husten hatt. Hernach habe ich eßen müßen; gleich nach dem eßen seindt meine 2 enckeln auß dem closter kommen, hernach die verwitibte printzes de Conti, madame la princesse dochter mitt ihrer dochter, mademoiselle de Larochesurion[2], die ist lang blieben. Hernach ist der envoyes vom keyßer, der monsieur Penterritter[3], zu mir kommen, daß hatt auch zimblich lang gewehrt. Dießer Penterritter ist woll geschaffen, hatt gutte minen, aber er ist ein rechter [688] rieß; er hatt verstandt undt ist polis, spricht gar nicht östereichisch, ob er zwar in Wien gebohren undt erzogen ist. Ich habe ahn dem hertzog geantwort (den es ist heütte der lotheringische posttag), auch ahn mein dochter geschrieben. Hernach ist mein sohn kommen, biß ich schir zum nachteßen gangen. Jetzt ist es zu spät, umb auff Ewere liebe schreiben zu antworten; ein ander mahl ein mehrers. Ich muß nach bett, den es schläffert mich unerhört. Gutte nacht, hertzliebe Louisse! Ich schlaffe oder wache, so behalte ich Eüch doch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Dezember 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 686–688
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0751.html
Änderungsstand:
Tintenfass