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Brief vom 27. November 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


868.


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Paris den 27 November 1717 (N. 27).
Hertzallerliebe Louise, hir komme ich, nach meinem versprechen mein wordt zu halten undt auff Ewer liebes schreiben von 13 November zu andtwortten. Wie ich auß allen Eweren liben brieffen sehe, so bekompt Ihr meine brieffe gar richtig. St Clou ist ein sommerhauß, viel von meinen leütten haben kammern ohne cammin; daß ist im winter nicht außzustehen, ich würde die meisten von meinen leütten dort sterben machen. So hart bin ich nicht, den die leütte, so leyden, jammern mich gleich. Die zweytte ursach, so mich herrführt, ist, daß die Parisser mich lieb haben undt sehr gewünscht, daß ich herkommen undt den winter hir bleiben mag; also ist es ja billig, daß ich herkomme. Ob ich hir zwar gar eng logirt bin, so habe ich doch ein gutte, warme cammer undt cabinet, also würde man es vor bizarre [halten], wen ich nicht, wie alle menschen, in dießer zeit wider in die statt käme; undt in allen sachen, deücht mir, so man in seinem leben thut, ist man schuldig, die raisonableste partie der ahngenehmsten vorzuziehen. Ich fürcht, noch scheüe die hitze nicht, fürcht vielmehr die kälte; mein sohn ist auch so, er liebt recht daß heiße wetter, er undt ich schwitzen nicht; es muß unerhört heiß sein, wen wir schwitzen undt zu warm haben. Viel leütte zu sehen, ist nie meine lust, habe also von dem schwarm von leütten, so man hir sicht, mehr verdruß, alß lust. Freylich bin ich lieber gantz allein, alß wen ich mir die qual [136] ahnthun muß, zu suchen, waß ich jederman sagen soll; den den die Frantzoßen haben [das], daß sie boß [werden], wen man nicht mitt ihnen spricht, [alsdann] gehen sie mal content weg; also muß man vor jederman waß suchen. Wen ich allein bin, so bin ich gantz ruhig undt zufrieden, undt wen ich wider zu den leütten muß, werde ich trawerig. Vissitten thue ich ungern, ich haße alles, waß ceremonien ist oder art davon hatt. Den tag, alß Ihr mir geschrieben, nehmblich den 13, war die printzes von Wallis in ihren grösten schmertzen, umb ihren printzen zu bekommen. Dießes mahl hatt unßer wünschen gelungen; gantz Englandt solle große freüde über dieße gebuhrt bezeügt haben, aber die Engländer seindt so falsch, daß ich ihnen kein haar trawe. Der[1] duc de Schonburg wirdt es woll verdroßen haben, nur ein medgen zu haben, undt dem graffen von Degenfelt auch; aber sie seindt beyde jung genung, umb noch viel söhn zu bekommen. Hatt doch die printzes von Wallis sowoll 3 printzen, sowoll alß 3 printzessinen bekommen, welches eine hoffnung vor dem graff Degenfelt undt duc de Schonburg ist! Ihr werdet nun schon woll wißen, daß Ewere graffin von Degenfelt ins kindtbett ist undt gar glücklich niederkommen ist den 15 dießes monts, undt weillen ich weiß, daß die winde offt verhindern, daß die brieffe auß Englandt woll überkommen, so habe ichs Eüch gleich geschrieben, so baldt ichs durch mademoiselle de Malause brieff erfahren. Last mich wißen, liebe Louise, ob Ihr es eher durch mich oder durch Englandt erfahren habt! Es seindt hundert undt hundert weiber, so sich allezeit einbilden, zu sterben werden, wen sie schwanger sein, undt kommen doch gar woll [nieder]. Ob ich, wen ich schwanger geweßen, zwar vom ersten tag biß ahm letzten sehr kranck geweßen, habe ich doch nie gedacht, zu sterben.
Sontag, den 28 November, umb 1/4 auff 9 morgendts.
Gestern morgen hatte ich Eüch geschrieben, aber nachmittags habe ich nicht wider zum schreiben gelangen können. So baldt ich ahngezogen, ging ich in die capel betten, hernach zu meinem sohn, welcher ein wenig beßer ahn seinem bößen aug sicht; er konte die farben nicht mehr unterscheiden undt nun sicht er sie woll, waß rodt ist; den wie ich bey ihm war, kam der cardinal de Polignac zu ihm mitt seinem rohten kleydt, daß sahe er gleich, also gar [137] gewiß beßerung; aber wovor mir bang ist, ist, wen mein sohn, der sich alle die zeit über, daß er in den remedien ist, sich gar erbar gehalten in eßen, drincken undt allerhandt bößes leben, ich fürchte, wen er wider außgehen wirdt undt die desbauchirte damen ihm wider nachlauffen werden undt zu ihren petit soupé laden werden undt ihm sein dolles leben wider führen machen, daß alßden sein aug wider schlim werden wirdt oder gar zu schanden gehen. Nach die vissitte ahn meinem sohn bin ich ahn taffel, nach dem eßen biß umb 3 habe ich meine bibel geleßen, 4 capittel im buch Hiob, 4 psalmen undt 2 capittel in sant Johanes, die noch überige zwey habe ich heütte morgen außgeleßen; gestern aber bin ich umb 3 in kutsch au Luxemburg gefahren, wo ich madame de Berry eine vissitte geben, von dar au petit Luxemburg, so allernegst ist undt nicht weitter von der gallerie vom großen Luxemburg ist, alß der englische bau zu Heydelberg von Otto-Henerichs-bau[2] ist. Der frost, so nun eingefallen, macht, daß madame la princesse wieder kopffwehe bekompt. Ich führte ihr enckel, mad[e]moisselle de Clermont, mitt mir in mein kutsch her, umb mitt mir in die ittalliensche commedie zu gehen. Die comedien, so sie spilten, ist recht artlich. Nach der commedie ging ich zu meinem sohn undt bliebe bey ihm biß zum nachteßen, wen man ja nachteßen heißen kan 3 maul voll salat undt einen halben apffel in wein. Gleich nach der schönnen mahlzeit zige ich mich auß, ziehe meine uhren auff undt gehe zu bett Nun komme ich wider auff Ewer liebes schreiben, nur daß noch sagen, daß ich gestern nach der commedie Ewer liebes schreiben von 16 dießes, no 31, entpfangen, so ich vor biß donnerstag sparen werde, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyhet. Ich kan nicht begreiffen, wie Ihr die see nicht scheüdt, welche mir abscheülich vorkompt, insonderheit wen ich gedencke, daß man auff dem meer dem caprissen der winde gantz unterworffen ist undt nicht meister von seiner reiß ist undt eben so baldt nach Indien kommen kan, alß nach Engellandt, daß gefehlt mir gar nicht. Zu deß königs zeitten wahren die pretentionen gantz ein andere sache; der könig konte so viel generositetten thun, alß er wolte; er war herr undt meister von seinem gelt. Aber mein sohn, der wie sein vormundt ist, muß sparen, den die schulden seindt abscheülich,[3] [138] 2 mahl hundert taußendt millionen[4] mehr, alß deß königs einkommen ist. Die alte zot[5] hatt daß königreich muhtwilliger weiß zu schanden gebracht. Unßer können[6] hatt ahn keinem menschen den kriegsschaden ersetzt, also darff es mein sohn nicht thun. Ich weiß leyder woll, daß Eüch mein bruder s. viel unrecht gethan; umb dießes zu verhindern, hatte [ich] den general Weibenheim gebetten, eine reiße zu meinem bruder zu thun nach Heydelberg, welches er auch gethan; aber mein bruder hatt geantwort, unßere liebe churfürstin hette ihn zu sehr drumb geplagt undt daß Ewere brüder ihn zu sehr außgelacht hetten, umb ihnen guts zu thun. Ich andtwortete, es were nichts nicht, guts thun, es were gerechtigkeit schaffen. Zu Monsieur zeitten habe ich starck vor Eüch kindern solicittirt. Der Langhanß undt Winckler[7] haben meinen bruder braff vor sich undt ihren creaturen bestollen, daß hatt Eüch auch geschadt. Habt Ihr den nicht von Ewere schwester undt bruder geerbt? den es ist ohnmoglich, daß Ihr alle mitt einander nur 500 th. gehabt habt; davor[8] kan man ja unmöglich leben; es were eine ewige schandt, wen Churpfaltz Eüch daß nicht bezahlen solte. Es ist zwar war, daß ich dem abbé de Bouquoy durch secretariehandt habe andtwortten laßen, aber durchauß widerrahten, herzukommen; wir haben deren art leütte genung hir. Von Franckfort habe ich ihm kein wordt gesagt. Naren divertiren mich nie, sie jammern mich zu sehr, kan auch kein spaß drin finden, daß man sie plagt. Ihr habt mir schon einmahl eine frantzösche relation nebenst einer teütschen mitt Nürenberger pflaster geschickt, liebe Louisse! aber es ist durch die demenagirung von Versaille verlohren worden. Wo pfaffen sich einflicken, helffen versprechungen gar wenig; also mag der könig in Poln seinem landt woll viel versprechen, steckt er monchen undt pfaffen undt closter in Saxsen, wirdt nichts gehalten werden. Die arme Saxsen undt auch die königin jammern mich von hertzen. Die königin solle zweymahl ohnmachtig geworden sein. Dieße arme königin leydt woll in dießem leben. Ich kan die falsch[h]eit vom konig in Poln nicht leyden, daß er thut, [139] alß wen er nichts davon gewust hette, da er doch mitt dem papst ahngelegt alles, waß vorgangen. Ich fürchte, daß der sohn eben so falsch ist, alß der herr vatter. Daß ist woll war, daß er gar nicht christlich ist, leütte wegen der religion zu plagen. Ich finde es abscheülich, aber wen mans recht außgründt, hatt die religion den wenigsten part dran undt geschicht alles auß politic undt interesse, dinnen alle dem mamon, aber unßern herrgott nicht. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet, liebe Louisse, undt auch zeit, daß ich mich anthue, muß zum könig, umb I. M. zu dancken, daß sie mich vergangenen dinstag besucht haben. Dießen nachmittag werde ich ins Carmelitten-closter ein wenig betten gehen, hernach komme ich her ins opera, nach dem opera schreib ich biß zum nachteßen ahn mein dochter. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Euch von hertzen undt behalte Euch allezeit lieb.
P. S.
In dießem augenblick bekomme ich ein schreiben von der gräffin von Bückenburg. Unßer liebe printzes von Wallis ist im kindtbett gar kranck geweßen, aber nun, gott lob, wieder gantz woll.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. November 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 135–139
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0868.html
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