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Paris den 11 December 1717 (N. 32).
Hertzallerliebe Louisse, ob es zwar erst morgen der post[t]ag
ist, so will ich doch heütte schreiben, damitt es sicher ist, das ich
keine post verfehlen werde, wie ich Eüch versprochen, liebe Louise!
Heütte werde ich auff Ewer liebes schreiben vom 23 November
andtwortten; vergangene post habe ich auffs frischte geantwortet.
Ich hoffe, daß Ihr nun mein schreiben vom 21 November werdet
entpfangen undt darauß gesehen haben, daß ich die gutte zeittung
von unßern lieben printzes von Wallis eben bekommen, wie ich
hir ahnkommen, undt es noch 3 tag vorher hette wißen sollen, aber
die winde haben daß schiff, so man hir le paquebot heist,
auffgehalten. Gestern habe ich schon daß zweyte schreiben von der
lieben printzes entpfangen undt noch eines von der gräffin von
Bückenburg. Der printz ist nicht gleich getauff[t] worden; sie haben mir
den 2 geschrieben, welches ein donnerstag war; der printz solte
den montag hernach erst getaufft werden. Der könig in Englandt
selber ist gevatter undt sein herr bruder, der bischoff von
Osnabrück, die gevatterin, glaube ich, ist die königin von Preüsen; wer
die überigen patten sein, weiß ich nicht. Daß printzgen ist nicht
schwach, nimbt woll zu. Auff alle gütte wünsche, so Ihr mutter
undt kindt thut, sage ich von hertzen amen. Es ist leicht zu
glauben, daß die printzes ihres schwanger-sein müde geworden ist; den
allezeit leyden, wirdt unleydtlich. Daß ist leyder der eintzige dinst
undt trost, so ich denen, so mir nahe undt lieb sein, geben kan,
sie in sich selber zu gehen machen undt ihre eygene vernunfft zu
erwecken, so die betrübtnuß einschläft, umb die gerade raison zu
sehen undt zu folgen, dazu sie unß ja auch von unßerm herrgott
gegeben ist. Daß ein jeder mensch seine schwachheit hatt, ist woll
war, undt allezeit auffmunterung von nöhten hatt. So lang der gutte,
ehrliche Polier gelebt, hatt mir dießer trost nicht gefehlt, nun aber
muß ich alles bey mir selber, welches eine schwere arbeydt ist,
suchen
[1] undt woll betten von nöhten hatt. Auff gott gantz sein
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vertrawen setzen, gibt allezeit großen trost. Gottes weißheit ist, wie
der allmachtige selber, unendtlich, also weiß er selber allein,
warumb alles geschicht. Wir müßen der vernunfft folgen, so er unß
gegeben, ihn aber im überigen gewehren laßen undt seinen willen
unterwerfen, undt weill er die weldt so geliebt, daß er unß seinen
eingebohrnen sohn geben, auff daß alle, so an ihm glauben, nicht
verlohren werden, sondern daß ewige leben haben, so konnen wir
ja woll ruhig undt zufrieden sein; den schickt er unß hernach waß
übels zu, will er unß züchtigen in dießer welt, damitt wir es nicht
in jenner welt sein mögen, welches ein großer trost ist undt ruhig
kan sterben machen. Schickt unß gott freüde, ist es occasion, ihn
zu dancken undt unßere liebe gegen ihm zu vermehren. Also wendt
gott alles zu unßerm besten, wen wir es nur recht auff- undt
ahnnehmen. So gedenck ichs, liebe Louisse, sage diß nicht, zu
predigen, sondern nur, Eüch meine gedancken zu sagen. Ich komme
jetzt auff den churprintzen von Saxsen. Alles, waß seine hoffmeistern
gethan, war lautter falschheit; den in derselben zeit, daß sie mich
pressirten, ihrem printzen wegen der religion zuzubrechen,
[2] thaten
sie dem könig s. die confidentz, daß der churprintz catholisch sey
undt alle tag die meß höre, aber heimblich in seiner cammer. Ich
habe gar different reden hören von seinem heüraht. Etliche
versichern, daß der churprintz von Bayren die elste ertzhertzogin haben
solle, andere aber sagen, daß der churprintz von Saxsen sich so
beliebt zu Wien gemacht, daß man [ihn] prefferiren wirdt. Die
zeit wirdt lehren, waß drauß werden wirdt; aber es soll gewiß
sein, daß dießer churprintz nichts zur multiplication deücht. Es
solle eine prophezeyung sein, daß das churfürstenthum auff die
weyßenfelsische lignie fallen solle. Wen sich der junge printz von
Weissenfels sich nur nicht mißheüraht, wie etliche saxsische printzen
gethan haben! Dr Luther ist geweßen wie alle geistlichen in der
weldt, so alle gern meister sein wollen undt regieren; aber hette
er ahn daß gemeine besten der christenheit gedacht, würde er sich
nicht separirt [haben]. Er undt Calvinus hetten taußendtmahl mehr
guts außgericht, wen sich
[3] sich nicht separirt hetten undt, ohne
geraß zu machen, unterrichtet hetten; die albersten romische
instructionen würden allgemach von sich selber vergangen sein. Wenig
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geistlichen hören gegen ihren interessen, also war nicht zu hoffen,
daß man Lutherus hören konte, so so sehr darwider lieff; aber hette
er Rom gewehren laßen undt Franckreich undt die Teütschen
allgemach den irtum gewießen, würde er viel mehr mitt außgericht
haben. Die refugirten habens gemacht, wie aller Frantzosen humor
es mitt sich bringt; wen sie meinen, waß guts zu hoffen haben,
geben sie sich keine gedult undt meinen, alles sey gutt undt
gewonnen, haben keine moderation in nichts undt folgen nur dero sin;
kompt hernach ein revers, meinen sie alles verlohren, seindt in alles
extreme. Also bin ich gar nicht verwundert gewest, daß sie gegen
allen verbott gethan haben; den es ist kein wunder, daß frantzösche
leütte frantzösch gedancken undt maniren haben. Ich hatte es gutt
mitt ihnen gemeint, aber sie haben mir nicht glauben wollen, also
kan ich auch nicht mehr helffen, ohne mir alle pfaffen von gantz
Franckreich über den halß zu ziehen, so mir viel schaden undt
ihnen [keinen] nutzen bringen würde. Es ist schwer, daß könige, so ohne
vatter, noch mutter sein, woll können erzögen;
[4] ein jeder will sie
ahn sich ziehen undt in gnaden sein, undt mitt zürnen oder
unterrichten gewindt man ihre gnade nicht, müßen also verzogen werden.
Ihr habt, liebe Louisse, nie umb verzeyung zu bitten, wen Ihr mir
nicht exact andtwortet; den meine schreiben seindt ordinarie nur
andtworten auff die Ewerige. Die arme fraw von Rathsamshaußen
ist heütte morgen umb 6 weg nach Strasburg, nicht ohne vielle
threnen, worüber ich gezürnt; den sie solle ja in ein par mont
wider kommen. Ich wünsche, daß Eüch die heüblumen woll
bekommen mögen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet,
bleibt mir nur überig, zu sagen, daß ich Eüch von hertzen
ambrassire undt lieb behalte.
Sontag den 12 December.
Seyder gestern weiß ich gar nicht[s] neües, wünsche Eüch, liebe
Louise, nur einen gutten, glückseeligen morgen undt werde ahn
mein dochter schreiben. In dießem augenblick entpfange ich ein
schreiben von der printzes von Wallis. Graff Degenfelt hatt sie zu
gevatter gebetten. Ewer schwager undt sein elste dochter seindt
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wunderliche kopff undt merittiren nicht die freündtschafft, so Ihr
vor ihnen habt, undt die mühe, so Ihr Eüch vor ihnen gebt. Ich
bin Ewerthalben recht böß auff sie beyde undt die printzes von
Wallis auch. Doch verzeye ichs Ewerm schwager eher, alß Ewerer
elsten niepce; deren ist es nicht zu verzeyen, keine affection vor
Euch zu haben, es seye den, daß es eine pure fantesie von einer
schwangern frawen ist. Die printzes hatt graff Degenfelt verbotten,
es Eüch zu schreiben, aber ich kans Eüch nicht verbergen. Sie
haben, der vatter undt die dochter, nicht leyden wollen, daß man
Eüch zu gevatter bitt, aber die printzes hatt es gewolt.