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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou, den sontag, 3 Julli 1718, umb halb 8 morgendts (N. 89).
Hertzallerliebe Louise, ich habe gestern nichts von Euch
entpfangen; daß nimbt mich aber kein wunder, Ewere reiße im
Schlangenbaadt wirdt ursach dran sein. Ich fuhr gestern nach Paris undt aß
dort zu mittag; mein sohn hatte zu viel zu thun, er konte nicht mitt
unß [eßen,] aber 3 von seinen döchtern aßen mitt mir, die 3te, 4te
undt 5te, die 5 damen, so mitt mir kommen wahren, alß die
hoffmeisterin, duchesse de Brancas, die dame d’atour, madame de
Chasteautier, undt meine zwey damen, madame la marechalle de
Clerembeau,
[1] madame de Ratzamshaussen undt die marquise d’Alluy
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undt die hoffmeisterin von meines sohns dochtern, die marquise de
Chivernie.
[3] Ihr man, so unßers duc de Chartres hoffmeister ist,
ist abgesanter zu Wien undt in Denemarck geweßen. Sie verstehet
undt spricht ein wenig teütsch. Ich hoffe undt wünsche, daß sie
die 3 kleinen beßer erziehen wirdt, alß die 3 ersten erzogen sein.
Gott gebe es! Nach dem eßen fuhr ich ins Carmelitten-closter; da
solte [ich] der fürstin von Nassau dochter sehen, dern ich dort
rendevous geben hatte. Sie hatte begehrt, incognito her nacht
[4] St Clou zu
kommen. Daß schickt sich nicht woll, ließ ihr derowegen
undtwortten, es würde sich beßer schicken, daß sie zu mir ins closter
kämme. Sie ließ mir aber gestern sagen, daß sie kranck worden
were. Es ist eine rechte schandt; ihr herr vatter lest sie durch
den cardinal de Noaille undt seine niepce erhalten undt hat ihr
eine hoffmeisterin geben, so eine rechte bettlerin ist undt daß
allmoßen in allen gaßen fordert. Es ist eine schandt vor die gantze
nation; aber wen sie, die printzes, meint, daß ich ihr helfen kan,
betriegt sie sich sehr. In dem standt bin ich leyder nicht. Meines
sohns leütte nach meines herrn todt haben mir die flügel so
beschnitten, daß, wen mir der könig nicht meine pension verstarckt
hette, hette ich mitt meinem hauß daß jahr nicht außführen
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können.
[5] Man hatt mir alles biß auff meine perlen cediren machen,
umb genung zu daß jahr außzukommen undt mich nach meinem
standt zu erhalten; kan also nichts geben, aber woll nach meinem
standt leben undt mein hauß erhalten.
[6] Die arme printzes
jammert mich, aber ich kan ihr nicht helffen. Nach den Carmelitten
bin ich wider ins Palais-Royal, wo madame la princesse, ihre fraw
dochter undt 3 von ihren enckellen kommen sein, nehmblich die
junge printzes de Conti, ihre schwester, mademoiselle de Clermont,
undt ihre geschwey, mademoiselle de la Rochesurion;
[7] dieße zwey
letzten hab ich mitt mir in die ittalliensche commedie geführt, so
gar artig war; sie hatt nur anderthalb stundt gewehrt. Madame
d’Orlean kamme auch mitt ihrem sohn undt mademoiselle de Valois.
Mein sohn kame nur im 5ten acten, hatte zu viel zu thun gehabt,
umb eher zu kommen können. Gleich nach der commedie fuhr ich
wider her undt aß mitt meinen damen mein salatgen undt teller
voll erdtberen undt ging gleich drauff zu bett. Wie ich
3/
4 stundt
spätter, alß ordinarie, schlaffen gangen, bin ich auch spatter
auffgestanden, undt meine erste sorge ist, Eüch, liebe Louisse, zu
entreteniren. Ich habe gar nichts neües erfahren; man hört von nichts,
alß von krancken undt sterbende[n.] Monsieur de Dangeau hatt
seine dochter von der ersten ehe nach einer langen kranckheit
endtlich verlohren, die verwitibte duchesse de Monfort. Sie ist
vergangen montag [gestorben;] ich glaube, ich habe es Eüch schon
gesagt. So gehts allen alten weibern, denen daß gedächtnuß fehlt.
Adieu, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt
behalte Eüch recht lieb.