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Brief vom 10. Juli 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


931.


[312]
St Clou, den 10 Julli 1718, umb halb 8 morgendts (N. 91).
Hertzallerliebe Louisse, ich habe schon eines von Ewern lieben schreiben auß dem Schlangenbaadt entpfangen undt vergangen donnerstag beantwort, mögte vielleicht heütte noch eines von Eüch bekommen; den ich glaube, daß Ihr nun wieder [zu] Franckfort seydt. Ich schicke Eüch hirbey den pasport vor monsieur Marion. Wen er hir im landt wirdt sein, wirdt man ihn verlängern; er darff sich nur ahn mich adressiren. Künftige post werde ich Eüch noch einen schicken, so mein sohn vergeßen, welches kein wunder ist; den er hatt abscheülich viel zu thun. Erstlich, so hatt er die händel mitt dem gantzen parlement, wovon Ihr, liebe Louise, schon werdet gehört haben. Ich glaube auch, daß ich Eüch schon davon geschrieben habe. Zum andern, so hatt er mylord Stanope hir. Ich weiß nicht, wie er es außstehen nacht,[1] 10 stundt ahn einander zu arbeitten; drumb muß man ihm woll verzeyen, wen er etwaß vergist, daß er versprochen hatt. Wir haben gar nichts neües hir, auffs wenigst daß mir bewust ist, will also eine pausse machen undt erst dießen abendt außschreiben; den ich habe heütte 4 brieff in Lotheringen [313] zu schreiben undt einen ahn meine dochter zu andtworten von 11 seytten.
Sonntag, den 10 Julli, umb 5 abendts.
Wie ich vor einer stundt eben in die kirch betten wolt gehen, wie mein ordinari ist, entpfunge ich Ewer lieben[2] schreiben von 26 Juni, no 49, mitt den gazetten, dancke Eüch gar sehr vor beydes undt werde Eüch biß in der promenaden entreteniren. Ich habe in meinem schreibcallender nachgesucht den 9 Juni, habe drin Ewern brieff, so in[3] Eüch geschriben, no 82, gezeichnet, undt daß vom 12, no 83, weiß nicht, wie ich es so doll gemacht, 2 mahl 83 zu schreiben; daß thun die vielle interuption, so ich alß habe. Ihr, liebe Louisse, seydt in der hohen demüdt begriffen, meine schreiben vor eine ehre zu halten, wen ich Eüch schreibe; allein ich habe es nie vor ehre halten hören, wen man brieff von seiner schwester bekompt. Nein, die gasterey von der printzes de Conti hatt mir den tribstrill nicht geben, ich habe es erst den 3ten tag hernach bekommen, undt den andern tag hatt ich zu viel frische meletger[4] geßen, davon ist es mir kommen. All mein leben, winter undt sommer, drinck ich daß waßer in eyß, daß schadt mir gar nicht; aber die abricosen thun meinem magen nie gutt, werde auch gar wenig davon eßen. Mein durchlauff ist mir beßer bekommen, alß [wenn] ich medecin genohmen hette, hatt nicht über 24 stundt gewehrt undt alles ohne grimen, noch schmertzen. So lang [ich] mich erinern kan, habe ich alle abendt salat [gegeßen,] außer wen ich jungfer Cathrin[5] gehabt haben, so bin ich 3 oder 4 tag geweßen, ohne es zu eßen, aber hernach gleich wider; habe mich so dran gewendt, daß es mir eben so wenig schadt, alß dem Mytridatte[6] der gifft. Man hatt trefflich öhl in Franckreich, auch gar gutten eßig. Ein jedes hatt seine art zum eßen; ein gekochter salat ist kein gutt eßen, liebe Louisse! Dießer brieff wirdt Euch, liebe Louisse, ohne zweyffel wider zu Franckfort ahntreffen. Ich finde keine schönne spatzirgäng in bergen; den meine arme knie können gar nicht mehr steigen. Ich erinere mich nicht, der gräffin Berlips bruder gesehen [314] zu haben, aber woll zwey von ihren söhnen, der [eine] ist nicht woll geschaffen undt hatt einen fuß kürtzer, alß den andern, hingt abscheülich; es sollen wunderliche heylligen sein. Ich sehe doch, daß es war muß sein, daß der fraw von Berlips bruder mich [gesehen hat;] den daß er sagt, daß ich schreibe, wen meine cammer voller leütte ist, daß ist gar gewiß undt war. Der könig in Englandt muß auch boß auff mich sein; den mylord Stanop, so ich vergangen donnerstag hir gesehen, hatt mir kein wordt von deß konigs wegen gesagt; aber ich getröst mich deß unglücks; wen es[7] nur meines sohns freündt bleibt, so bin ich schon zufrieden. Sein schweygen ist mir nicht neü; den … wie ich mein blaadt umbwendt, sehe ich, daß ich auff der unrechten seyden geschrieben habe, werde also alle meine bogen zeichenen, komme aber wieder auff meinen discours. Wie dießer konig hir war undt printz von Hannover, habe ich kein wordt auß ihm ziehen konnen. Dießer könig hatt boßhafftige minister, so I. M. übel rahten undt wenig ahn dero ehre undt gloire gedencken; sie müßen finden, daß in trüben waßern gutt fischen ist. Man sagt hir im Sprichwort: Tout mauvais cas sont reniable.[8] Alß[9] wirdt es der herr von Bernstorf nicht gestehen, daß er die uneinigkeit unterhelt; allein die gantze welt will, daß es so ist, also muß woll waß dahinder stecken.[10] Ihr thut woll, ihm nichts zu schreiben; er würde Eüch nur damitt außlachen oder vielleicht gar einen letzen[11] bescheydt geben; den die favoritten seindt etlich mahl insolent. Ich dancke Eüch, liebe Louisse, vor die historie vom müller. Ich höre recht gern wunderliche historien, das amussirt mich. Aber ich wolte gern wißen, wer die schellen geweßen seindt undt daß man sie erdapen undt abstraffen, die arme leütte so gar übel tractirt zu haben. Zu Paris geschehen gar offt dergleichen avanturen; allein in der Pfaltz war es etwaß rares. Adieu, liebe Louise! Biß donnerstag hoffe ich Eüch den zweytten pasport zu schicken; den mein sohn hatt ihn vergangenen donn[e]rstag ahn monsieur de Lavrilliere[12] befohlen den pa[s]port zu verfertigen, werde ihn also baldt bekommen, werdet [ihn] durch die freytagspost bekommen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig [315] beantwort, bleibt mir nur über, zu versichern, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte, undt wünsche, daß Ihr in volkomener gesundtheit wieder mögt nach Franckfort komen sein.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Juli 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 312–315
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0931.html
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