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Brief vom 22. September 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


952.


[386]
St Clou den 22 7br 1718, umb 9 uhr morgendts (N. 12).
Hertzallerliebe Louisse, ich glaube, ich habe Eüch schon geschrieben, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 6 dießes monts, no 69, vergangenen sontag entpfangen habe. Ich habe woll gedacht, daß Ihr 2 von mir auff einmahl bekommen müste haben; den ich fehle kein eintzige post. Waß aber die ursach ist, daß eine post liegen bleibt, kan ich nicht wißen, also nicht sagen. Hette es waß schlimmes zu bedeütten, würdet Ihr es, liebe Louise, baldt erfahren; den die schlime zeittungen gehen viel geschwinder, alß die gutten. Bißher ist, gott sey danck, noch kein unglück geschehen; aber ich habe keine sicherheit, daß keines geschehen wirdt, den man treüet meinem sohn mehr, alß nie. Der duc du Maine ist in boßheit gebohren undt erzogen, seine mutter war die böste fraw von der welt. Ich weiß 3 personen, so sie vergifft hatt, die Fontange,[1] ihr söhngen undt noch eine jungfer, so bey der Fontange war, ohne die ich nicht weiß.[2] Er ist von der alten hexsen, der Maintenon, erzogen, welche ein lebentiger teüffel, hatt ihr leben ahn nichts gedacht, alß dießen bastard auff den thron zu helffen undt mitt ihm zu regieren; drumb hatt sie ihn zu prince du sang erklaren machen undt ihm jetzt die regirung wollen unter der handt spillen machen undt meinem sohn freyheit undt leben nehmen wollen, hatte ihm die reichsten hertzogen hir abgewendt undt ihnen zu verstehen geben, daß sie vor den könig in Spanien arbeydt, bey wen sie mehr, alß bey meinem sohn, profitiren würden, welches eine große caballe gemacht. Mein sohn ist gar in keiner sicherheit deß lebens, welches mich manche nächte ahm schlaff verhindert. Ich glaub, es stundt mir vor; den ich habe mich mein leben kein augenblick über seiner regence erfreüen können. Ich kene alles[3] boßheit dießes hoffs undt der alten zott nur gar zu woll, umb nicht gleich gedacht zu haben, waß drauß entstehen würde. Dießes alles macht mich trawerig undt [387] gritlich, wie leicht zu glauben ist. Der erste pressident ist in madame du Maine verliebt, ihr also gantz zum gehorsam. Wir seindt alle in gefahr auff alle weiß. Gott wolle unß gnädig beystehen! dem thue mich undt meinem sohn gantz ergeben undt will von dießen so sehr verdrießlichen sachen auffhoren zu sprechen. Meinen sohn von allen seinen abscheüllichen feinden triomphiren zu sehen, ist leyder weder sicher, noch gewiß. Der duc du Maine würde ahn sich selber nicht viel freunde haben, wen er seiner cabale nicht persuadirt hette, wie schon gesagt, daß er vor den könig in Spanien arbeydt; er hatt ein böß gemühte, aber seine gemahlin ist noch ambitieusser undt ärger, alß er. Die Spanier seindt ihres unglücks in Sicillien getröst, weillen die indianische flotte so glücklich ahnkommen undt so viel gelt undt großen reichthum gebracht. Man versichert von allen ortten her, daß der frieden zwischen dem czaar undt konig in Schweden geschloßen ist; aber man sagt hir nicht, daß sie den Spaniern zu hülff kommen wollen, sondern daß sie ins landt von Braunsweig undt Lunenburg wollen wegen Bremen. Ich glaube nicht, daß unß der jüngste tag gar nahe ist. Wolte gott, daß die schlime leütte nicht naher wehren! Wir haben gar kein donnerwetter hir gehabt. Es ist abendts undt morgendts jetzt recht kühl. Wen es so fort[geht,] wirdt man baldt feüer machen müßen. Daß die schombergische bedinten in Ewerm abweßen einen proces ahngefangen, nimbt mich gar kein wünder; je mehr sie zu thun [haben,] je beßer muß man sie bezahlen. Ihr habt aber groß recht, keine proces zu haben wollen, insonderheit mitt geistlichen; da gewindt man sein leben nichts bey. Ich fürchte, daß, so genau Ihr auch drauff sehen mögt, daß Eüch die herrn gelehrten undt das dockterzeüg Eüch doch betriegen, liebe Louisse! Die leütte endigen mitt fleiß nicht, damitt man ihnen immer von nohten mag haben undt sie braff gelt gewinen. Daß gemeine sprichwort ist, daß es gefahrlich ist, große flüße undt große herrn in der nachbarschafft [zu haben;] den sie knagen[4] alß waß ab. Ich hab madame Dangeau den brieff von ihrer fraw schwester geschickt. Madame Dangeau verliehrt alle ihre brieffe von ihrer schwester auff der post; darumb hatt sie mich gebetten, daß Ihr es in Ewer [388] paquet schließen mögt. Die leütte seindt greülich unverschampt in bettelen hir im landt. Da entpfang ich alleweill entpfang ich einen brieff von einer damen von qualitet auß Bretagnien, die ich nicht kene, noch mein leben nicht gesehen habe undt nicht kene, sie hette einen gar verdrießlichen man, der hette sie verobligirt, sich in ein closter zu stecken, also bitt sie mich, ich solle ihr gleich hundtert pistollen schicken, damitt sie sich in ihrem closter meubliren könne. Ich sage schon zum vorauß großen danck, liebe Louisse, vor die cartten, so Ihr mir in der meß schicken wolt. Ich will Eüch auch erster tagen eine foire[5] de St Laurent suchen vor Eüch. Außer alles betrübtes, so ich geschrieben, weiß ich gantz undt gar nichts neües, liebe Louise, undt Ewer liebes schreiben ist ordentlich beantwortet. Kompt mir heütte etwaß von Eüch, werde ich es vor sontag sparen, derowegen vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
P. S.
In dießem augenblick entpfange ich Ewer liebes schreiben vom 10 7br, no 70, mitt dem talck. Ich hoffe, daß, wen Ihr mir daß zweyte schicken werdet, daß Ihr mir alßden berichten werdet, waß es kost, werde Eüch daß gelt gleich schicken. Es ist gar artlich, nur ein wenig zu viel nonger[6] drum. Es ist gewiß, daß es viel beßer gemahlt ist, alß daß erste war, also kein wunder, daß es thewer[e]r ist, alß daß erste, wirdt mich aber doch gar gewiß nicht ruiniren; dieße despense kan ich thun, ohne meinem beüttel zu incomodiren. Die andtwort von dießem letzten brieff werde ich auff sontag ersparen. Adieu, liebe Louise! Ich dancke Eüch vor alle mühe, so Ihr vor mir nembt, undt ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. September 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 386–388
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0952.html
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