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Brief vom 20. November 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


969.


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St Clou den 20 9br 1718, umb 8 uhren morgendts (N. 30).
Hertzallerliebe Louisse, ich bin heütte 2 stundt spätter auffgestanden, alß ordinarie, hette aber woll 4 stundt eher auffstehen können; den ich habe dieße nacht sehr übel geschlaffen, den vorgestern abendts, weiß nicht wie, oder warumb, [ist mir] ein abscheülicher husten undt schnupen ahngekommen, daß ich recht kranck dran bin undt vom abscheülichen husten, alß wen man mir die lenden geprügelt hette. Meine naß undt lefftzen seindt ein rohes flei[s]ch undt thun mir bitter wehe. Ich weiß nicht, waß mir den 3ten sontag begegenen, aber da seindt 2 nach einander, da mirs gar nicht woll geht. Ich schreibe Eüch dießen morgen, den abends werde ichs nicht können, den abendts nehmen die flüße alß zu. Gestern abendts wolte ich ein par wordt ahn mein dochter schreiben. Es wurde mir ohnmöglich, den meine augen stunden so voller waßer, daß ich nicht recht sehen konte, muste mich auch ohnauffhorlich butzen undt war kein vatterunßers-lang ohne husten undt keine halbe stundt ohne nießen. Seyder einem gantzen jahr hab ich kein husten undt schnupen gehabt, dießer aber bezahlt die verlohrne zeit. Aber hiemitt auch genung von meinem heßlichen husten undt schnupen gesprochen. Ich komme auff Ewer liebes schreiben vom 5 dießes monts, welches ich vergangen donnerstag nicht habe vollig beantworden können, waren ahn dem gouvernement von Zweybrücken gebliben. Aber Ihr spottet meiner, mich deßwegen umb verzeyung zu bitten, daß Ihr mir davon gesprochen. Da ist gar nichts ubels ahn. Waß mich hatt andtwortten machen, wie ich gethan, ist, daß ich nicht gewust, daß graff Degenfelt, oder einige seiner verwanten der cron Schweden jemahlen gedint hetten; den da hattet Ihr kein wordt von gedacht undt daß endert die sach gantz. Ihr sprecht mir von Ewer fraw mutter brüder, alß wen ich sie nie gesehen hette. Ich habe sie alle 4 gar woll gekent; der erste war der blinde herr von Degenfelt, der hieß Ferdinant, der zweytte war der oberste Degenfelt, der hieß Christoff, der 3te war herr Max undt der 4te undt jüngste von allen kindern war herr Hannibal Degenfelt, der ist page bey oncle s. geweßen. Von den 4 schwestern erinere ich mich noch gar woll; die erste war die fraw Liebestein, die hernach den [441] herrn von Bron geheüraht, so amptman zu Bocksberg wurde; die zweyte war die raugräffin, Ewer fraw [mutter;] die 3te freüllen Charlotte; die 4te freüllen Anne Catherine, so den herren von Wolmershaussen geheüraht hatt. Hirauß segt Ihr, liebe Louisse, daß ich Ewere verwanten gar nicht vergeßen habe, waß zu meiner zeit war. Ich habe den nahmen von freüllen Charlotten man vergeßen; den sie ist erst verheüraht worden, nachdem ich weg bin. Der könig in Schweden[1] hatt daß gouvernement von Zweybrücken dem Poln geben, weillen der könig Stanislas[2] drumb gebetten. Er ist dießes königs gutter freündt undt verwanter undt solle großen credit in Poln haben. Warumb dörfft Ihr, liebe Louisse, nicht sagen, worinen der graff Degenfelt meinem vettern, dem landtgraffen, gedint hatt? den daß ist ja lobenswehrt. Daß geheimnuß kan ich nicht begreiffen. Ich werde nichts davon sagen. Der Guenault, seüfft er nicht? Er sicht ein wenig darnach auß mitt seiner scheffen peruque. Wen die leütte, so durch pasport kommen, wen sie so waß ahnfangen, schadt es allen Reformirten undt macht die pfaffen außrührisch.[3] Alleweill kompt man mir sagen, daß der junge graff von Leiningen-Westerburg gestern abendt gestorben, einer von den frombsten, tugendthaff[t]sten jungen menschen, so ich mein leben gesehen; kam gar offt zu mir zu Paris, alle tag, war hübsch undt woll geschaffen. Er ist ahn einem hitzigen fieber gestorben. Der[4] printz von Durlachs docktor hatt ihn tractirt, hatt ihn nicht wollen zur ader laßen, weillen er es sein leben nicht geweßen. Ich glaube, daß, wen man ihm zur ader gelaßen hette, würden es seine fabelley gestilt haben undt daß fieber vermintert haben; aber es hatt so sein müßen, seine stundt war kommen. Ihr dörfft Eüch, liebe Louise, keine gedancken machen über deß monsieur Gueneaud übelles beginen; daß ist Ewere schuldt nicht, wen sie waß närisch thun. Ihr habt woll gethan, der damen die vorsprach abzuschlagen, so ihre dochter widerhaben will, so man in ein closter gethan; den daß ging nicht ahn, man würde sie nicht ihrer mutter widergeben, die mutter were den catholisch. Über monsieur Marion hatt kein mensch geklagt. Ich dachte nicht, daß kauffleütte pasport von nohten hetten. Zu Paris seindt wenig unschuldige divertissement, [442] alles fleisch dort hatt seinen weg verkehrt. Ewere liebe schreiben sein nie zu lang; den, wie Ihr segt, kan ich es nicht auff einmahl beantwortten, so thue ich es in zwey. Bekomme ich heütte noch ein schreiben von Eüch, werde ichs Eüch berichten, liebe Louise, aber es erst biß donn[e]rstag beantworten, wo mir gott daß leben lest. Adieu, hertzliebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte! Da sehe ich meinen sohn, so auff der brücken ist, habe just zu allem glück außgeschrieben.
Sontag, umb 6 abendts.
Ich habe dießen nachmittag ein liebes schreiben von Eüch entpfangen, liebe Louisse, von 8 dießes monts, no 88. Entweder habt Ihr nicht recht chiffrirt, oder es fehlt mir eines von Ewern lieben schreiben. Ich habe heütte morgen woll recht gehabt, wie ich Eüch gesagt, daß ich heütte nicht auff Ewer liebes schreiben würde andtwortten können; den wie ich von taffel kommen, habe ich noch eine zeit lang mitt meinem sohn geblaudert, so mitt unß zu mittag geßen hatte. So baldt er weg ist, habe ich meine brieffe, so ich durch meinen courir bekommen, leßen [wollen;] weillen ich aber in 2 nächten nur 2 stundt geschlaffen, hatt mich der schlaff überfahlen, undt [ich bin] erst wacker worden, wie man ins gebett geleütt, bin in[5] 5 auß der kirch kommen, da eben madame de Berry in den hoff gefahren, so jetzt eben wider weg fahrt, undt ich habe noch ahn mein dochter zu schreiben, muß also Ewern brieff, wie ich schon heütte morgen resolvirt hatte, biß auff donn[e]rstag sparen. Es ist eine heßliche sach mitt husten undt schnupen; man kan nicht die helfft thun, waß man will. Ihr sagt nicht, waß Eüch die durchleüchtigste welt kost; ich hoff, Ihr werdt mirs schreiben, wen Ihr mir sich[6] schicken werdet. Adieu, liebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. November 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 440–442
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0969.html
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