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Brief vom 12. Januar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


984.


[007]
Paris den 12 Januari 1719 (N. 45).
Hertzallerliebe Louise, ich glaube, ich werde mein leben nicht auff Ewere liebe schreiben andtwortten können; den es ist schon ein viertel auff 10. Ich habe heütte morgen ahn die gräffin von Oldenburg, meine baß, der printzes von Tarante dochter, geschrieben. Nach dem eßen bin ich zu der großhertzogin, bey welcher ich biß 6 geblieben. Seyder ich wider kommen, ist madame de Berry herkommen undt biß 7 geblieben. Hernach habe ich ahn [008] monsieur Harling auff 3 seiner schreiben geantwortet, habe also nicht eher, alß nun, ahnfangen können. Aber solte ich auch biß morgen schreiben undt monsieur Teray braff zörnen machen, so werde ich doch dieße post nicht vorbeygehen laßen, ohne Eüch zu schreiben undt mein wordt zu halten. Ich komme auff Ewer liebes schreiben von 27 December, no 102, welches daß frischte ist, so ich von Eüch habe. Alle die boßheit von der duchesse undt dem duc du Maine kommen von der alten zot[1] her undt der pr[incesse] des Ursin[2]. Die 2 alten seindt lebendige teüffel[3]. Die Jessuwitter mögen gar woll mitt unter dießem spiel sein; allein man kan sie noch nichts beschuldigen, den man hatt noch nichts gegen ihnen gefunden. Wer nichts glaubt, kan sich nie beßern; die [009] dencken ahn nichts, alß ihre intriguen undt interessen. Ich habe Eüch schon geschrieben, wie es mitt Schlieben undt Sandrasqui bestelt war. Ich habe gestern ein liedt bekommen, so Schlieben auf die königin in Spanien, die zu Bajonne ist, gemacht hatt. Ich habe mich so geey[l]t im abcopiren, daß ich forchte, Ihr werdt es nicht leßen können[4]. Ich weiß nicht, ob ich Eüch den abscheülichen brandt von Luneville [ge]schrieben habe oder nicht[5]. Ich muß in dießem augenblick schließen; den monsieur Teray filtzt mich, sagt, ich wolle mich umbs leben [bringen]; es ist doch noch kein viertel auff 11. Ich schicke hirbey auch daß manifest, so man hir vom spanischen krieg gemacht hatt[6]. Mehr kan ich dießmahl nicht sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt lieb behalte.
1.
Wie schön, wie wunderschön
Spilt mir zur qual dein augenlicht!
Ich sehne mich nach solchen sternen,
Die sich zu weit von mir entfernen.
Ich seüfftze, doch du hörst mich nicht;
Ich flehe, aber, ach, vergebens,
Weill du, o sonne meines lebens,
Wilt andern auff-, mir aber untergehen.
2.
Die schult ist selbsten mein,
Wen ich einst unglückseelig bin;
Daß macht, ich habe lieben wollen,
Waß ich nur hett ahnbetten sollen;
Daß führet mich zur marter hin.
Mein schicksal hatt mich außersehen,
Ich soll in Schönnen feßeln gehen
Undt doch niemahls erfreüet sein.
3.
Mein kindt, erzürne nicht
Von deiner augen schönheitsschein,
Die aller menschen hertz entzünden
Undt mich zu deinen füßen binden,
Mir offtmahls machen schmertz undt pein!
[010] Zu spät verleütstu[7] mir daß lieben,
Dieweill mir schon ins hertz geschrieben
Dein allerschönstes augenlicht.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 7–10
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0984.html
Änderungsstand:
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