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Paris den 29 Januari 1719 (N. 50).
Hertzallerliebe Louisse, seyder ich Ewer liebes schreiben von
no 3 entpfangen, ist mir nichts von Eüch kommen, liebe Louise!
Ich habe aber noch etwaß auff Ewer liebes schreiben von no 100
zu sagen. Vielleicht werde ich dießen nachmittag noch etwaß von
Eüch bekommen. Unterdeßen komme ich auff Ewer liebes
schreiben, wo ich geblieben war. Hir ist kein … vorkommen, wie ahn
andern ortten sein könte. Alle boßen seindt noch nicht genent, stellen
sich wie die gutten; man kan sie nicht unterscheiden, den in
derselben zeit, daß sie meinem sohn die grösten protestationen von
trewe thun, conjuriren sie gegen ihm undt sagen den teüffel von
ihm, umb ihm den halß zu brechen machen undt von gantz
Franckreich haßen zu machen. Dieße falschheit ist mir gar zuwider, kan
es nicht außstehen, undt wie man sich in nichts hir richten kan,
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seindt die ängsten desto stärcker. Da habt Ihr woll groß recht,
interesse verdirbt alles in der welt, geistliche undt weldtliche sachen.
Noch etwaß, daß den menschen den hirnkasten gantz verthrehet,
ist, wen sie ambitieux werden undt regiren wollen; wir haben deßen
exempel hir. Mehr kan ich durch die post nicht sagen, liebe Louise!
Ich muß auch jetzt eine pausse machen undt mich ahnkleyden, nur
noch sagen, daß es kein wunder ist, daß mein sohn gehast wirdt;
den die gantze caballe hatt solche libellen undt dem[1] volck gegen
meinen sohn außgestreüet, daß einem die haar zu berg stehen, es
zu hören. Man macht ihn vor den grosten undt ehrvergeßnen[2]
tiranen passiren, so in der welt mag gefunden werden; undt die
meinen sohn recht [kennen], wißen woll, daß sein gröster fehler ist,
gar zu gutt zu sein. Die printzes des Ursin hatt gar nicht von
nöhten, den Alberoni zu schmeichlen; sie verstehen sich wie laron
en foire[3]. Es ist schon bey zwey jahren, daß sie wider in Spanien
in gnaden ist, undt seyder dem hatt sie alß daß teüffelsspiel gegen
meinen armen sohn ahngefangen. Freyllich ist es doch ein großes
glück, daß alle die schelmerey ist endecket worden. Aber nun muß
ich auch meine pausse ernstlich machen. Dießen nachmittag werde
ich dießen brieff außschreiben.
Brief vom 29. Januar 1719
von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz
989.
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Empfohlene Zitierweise:Brief vom 29. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 19–21 Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0989.html |
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