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Brief vom 10. März 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1103.


[073]
Paris, den sontag, 10 Mertz 1720 (N. 71).
Hertzallerliebe Louisse, gott gebe, daß ich weniger interuption heütte finden mag, alß verwichenen donnerstag, undt daß ich auffs wenigst Ewer liebes schreiben vom 17 Februari, so ich noch zu antwortten habe, [zu beantworten im stande sein möge]! Seyderm[1] habe ich kein frisches von Eüch entpfangen; kompt eines, werde ichs vor die andere post sparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet. Seyder gestern regnets ohne auffhören; daß wirdt die wegen noch greüllich verderben undt die posten nicht beßer gehen machen. Ich habe mein leben, auffs wenigst so lang ich in Franckreich, die posten nie so übel gehen sehen, alß seyder ein jahr her; doch verspüre ich nicht, daß die brieffe verlohren gangen sein. Bekompt Ihr meine schreiben nicht, ist es gar mich[2] meine schuldt: den ich verseüme keine eintzige post. Alle sontag undt donnerstag schreibe ich Eüch, liebe Louise! könt also leicht wißen, ob Ihr meine schreiben alle entpfangt oder nicht; dorfft nur einen calleader nehmen undt drinen sehen, so werdet Ihr es gleich wißen. Ach, liebe Louise, ahn meinen raisonementen ist wenig gelegen; ich habe nie keinen gar hohen noch penetranten verstandt gehabt, nur le sens commun. Aber wen man hir gar zum narren würdte, wehre es kein wunder; den man sicht undt hört so viel närische sachen undt alles geht so, wie man hir pflegt zu sagen, contre rime et raison[3], daß es kein wunder were, daß einem der hirnkasten zu schanden gehen solte; es ist so, daß es mir offt selber unglaublich vorkompt undt offt gedencke, ob es kein traumb ist. Daß macht alle lust vergehen undt so reveüx[4], daß man schir nicht mehr weiß, waß man denckt oder sagt; glaube also, daß meine brieffe doll genung herrauß kommen, welches woll gantz undt gar kein wunder ist. Ihr müst mir keinen danck wißen, liebe Louisse, wen ich opera Ewerthalben versäume; den ich frage kein hahr mehr darnach, gehe nur auß pure complaisance nein, wen damen kommen, so gern hinein wolten, ohne daß es ihnen waß kost. Heütte muß ich nein, den princes[se] de Lambesque[5] vom hauß Lotteringen hatt mich [074] gebetten, sie mitt ins opera zu nehmen; werde also heütte meinen brieff nicht so groß machen können, alß ich es woll gewünscht hette. Letzte post habe ich Eüch die gantze copie von Churpfalt[z] andtwort ahn mir geschickt. Gott gebe, daß er sein versprechen halten mag! Erwartte mitt verlangen, von Eüch zu vernehmen, liebe Louise, daß Ihr bezahlt worden undt ich Eüch einmahl zu etwaß habe gutt sein können. Von Ewerm gar guttem gemühte bin ich gar woll persuadirt, bedarff also keine weittere dancksagung. Nichts ist betrübter, alß die seinige zu verliehren; zweyffele also nicht, daß der churfürst zu Pfaltz sehr betrübt über den verlust der keyßerin, seiner fraw schwester, wirdt geweßen sein. Diese keyßerin war bitter alber in ihrer religion, recht pfaffisch[6]. Wozu solten die friedenschlüße dinnen, wen man sie nicht halten solte? Es wehre kein unglück vor Heydelberg, wen man es von pfaffen erloßen solte. Daß Churpfaltz mitt den Jessuwitten von der Kettengaß solle brüderschafft gemacht haben, muß eine vexirer[e]y sein; daß kan nicht wahr sein, daß sagt man nur, dieß[e] sach in ridicule zu threhen. Aber es hatt es nicht von nohten, ist ridicule genung ahn sich selber, daß ein churfürst undt pfaltzgraff gegen den frieden waß thut auß complaisance vor unweiße pfaffen. Ich höre wenig von frieden reden; alle solche punckten seindt mir zu hoch, von staadtssagen[7] raisonire ich deßwegen nie. Vom chevalier Watter ist nichts mehr zu sagen; er ist lengst hir weg undt thut monsieur Le Fevre weder guts noch boß. Ich habe vorgestern lang mitt ihm gesprochen; er ist in der hoffnung, daß alle seine geschäfften baldt zu einem gutten endt kommen werden. Ich habe ihn überzeücht, daß er seinen eygenen nahmen bitter übel schreibt; den kein frantzöscher nahm kan mitt einem dopelten ff ahnfangen. Er hatt von hertzen drüber gelacht, sagt, es kämme englisch herauß. Ich habe aber souttenirt, daß ein frantzoscher nahme nicht müste auff Englisch geschrieben werden, also würde ich allezeit monsieur Le Fevre schreiben undt nicht Leffevre schreiben. Dieße disputte kompt schir herauß wie die von dockteur Pancrace dans Le mariage forcé de la forme du chapeau[8]. [075] Aber da kommen viel leutte, so mich interompiren, welches mich recht ungedultig macht. Ihr habt nichts vor monsieur Le Fevre zu fürchten; er gouvernirt sich mitt verstandt. Ich werde ihn in alles beystehen, so in meinem vermögen stehen wirdt. Er hatt nichts vor den chevalier Watter hegehrt, sondern ihn gleich weg machen gehen. Ich verstehe noch weniger, alß Ihr, wie es mitt der banque zugeht. Mein sohn hatt heütte eine große sich[9] zu endt geführt, so ich eben so wenig verstehe, alß die banque, nehmblich die constitution[10]. Ich sage nur: Gott gebe in alles friede undt ruhe! Die banque hört gar gewiß noch nicht auff. Mein sohn wirdt gar gewiß keine medaillen kommen [laßen], er hatt genung ahn den meinen. Ich habe schon eine suitte von 8 hundert undt e[t]lich undt 30, alle schon undt woll conservirt undt vor gutt von allen, so sich auff medaillen verstehen, erkent, vor gutt undt recht antique. Aber da rufft man mich; es ist zeit, mich ahnzukleyden, undt Ewer [076] liebes schreiben vom no 14 gantz beantwortet; bleibt mir also nichts mehr überig, [als] Eüch zu versichern, daß ich Eüch allezeit von hertz[en] lieb behalte.
P. S.
Abendts umb 3 viertel auff 8.
Es ist schon eine stundt undt anderthalb, daß ich auß den Carmelittencloster kommen bin undt habe hirin 2 von Ewern lieben schreiben gefunden vom 24 und 27 Februari, no 16 undt no 17. Ich habe noch kein augenblick finden können, es zu leßen. Ich habe ins opera gewolt, aber nicht hin gekönt; den mein sohn ist kommen, mitt welchen ich zu reden gehabt wegen den lotteringischen sachen, so mich abscheülich plagen. Ich muß dießen gantzen abendt ahn sie schreiben, sonsten würde ich Eüch noch langer entreteniren, liebe Louisse! Waß ist doch daß vor eine fantesie, daß man alß die brieffe 2 undt zwey auff einmahl jetzt schickt? Man will ja nichts damitt sagen. Ich muß Eüch doch noch eine zeitung sagen. Die constitution ist nun gantz in frieden; man hatt alle bischoffe vereiniget. Mein armer sohn hatt große mühe, er hatt gearbeit wie ein satire; er jammert mich recht. Ach, wie gern wolte ich Eüch noch lenger schreiben! Aber heütte ist es unmöglich auß obgemelten ursachen von meiner docht[e]r brieff. Gutte nacht, liebe Louisse!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. März 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 73–76
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1103.html
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