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Brief vom 5. November 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1370.


[475]

A madame Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den donnerstag, 5 November 1722 (N. 1).
Hertzallerliebe Louise, seyder vorgestern bin ich wieder hir ahnkommen, aber in keinem gar erwünschten standt undt selbige nacht habe ich von 2 biß 4 auß der naß so starck gebludt, daß es mich so abgematt, daß ich kaum die feder halten kan. Undt über daß so habe ich noch eine neüe qual, eine dicke galle, rodt wie bludt, macht mich 8 mahl deß tags zu stuhl gehen. Daß hilfft noch viel zu meiner großen mattigkeit, daß hindert mich ahm schlaff, den es ist keine nacht, daß ich nicht 3 mahl auffs wenigst auffstehen muß. Waß auß dießem allem werden wirdt, sall den tiedt lehren. Meine docktor finden, daß es woll geht undt daß es alle nohtwendige sachen, so auß meinem leib müßen. Aber die warheit zu gestehen, so deücht mir, daß es zu starck geht undt mir die kräfften zu sehr benimbt, daß ich vor purer schwachheit nicht mehr werde zu meinen vorigen kräfften kommen. Ich bin ohne fieber undt were ich, wie schon gesagt, alles, wen ich die große schwachheit nicht hette, würde ich selber hoffen, zu geneßen, aber die schwachheit macht mich glauben, daß ich zu alt bin, umb wider zu kräfften zu gelangen. Es mag gehen, wie gott will, ich habe mich gantz ohne inquietuden in gottes willen ergeben; es mag mitt mir gehen, wie es gott beliebt. Ich muß mich nun ahnziehen, dießen nachmittag werde ich Eüch fern[e]r entreteniren, liebe Louise!
Donnerstag, den 5 November, 4 uhr nachmittags.
Gleich nach dem eßen hab ich zum 7ten mahl zu stuhl gemüst, nachdem ich ein gutt stundtgen geschlaffen habe. Es ist mir noch schlapies genung, aber ich bin so müde, von meiner kranckheit zu sprechen, will also von waß anderst reden. In unßerer wehrender reiße hab ich 5 werdte schreiben von Eüch entpfangen, wovor ich Eüch sehr dancke, den sie haben mich in dem ellenden standt, worinen ich bin, recht erquickt hatt. Andtwortten[1] habe ich ohnmoglich gekönt so woll wegen meiner schwachheit, alß auch wegen [476] continuirlichen gethuns so woll w[e]gen der ceremonien, alß auch alles mein[e]r kinder gethuns, so ich immer umb mich gehabt habe, alß auch sonsten unerhört viel leütte, fürsten, herrn, graffen undt bischöffe undt ertzbischoffe undt cardinäls. Aber ich glaube nicht, daß in der weitten welt waß schönners kan gesehen undt erdacht werden, alß deß königs crönnung[2]. Man hatt mir die beschreibung davon vor biß sambstag davon versprochen. Lest mir gott leben undt gesundtheit biß übermorgen, so werde ich Eüch, liebe Louise, eine gantze beschreibung davon schicken[3]. Meine dochter ist ein wenig verwundert geweßen, wie sie mich gesehen; den sie hatt mir nicht glauben wollen, hatt alß gemeint, meine kranckheit were nur eine außrett[4]. Wie sie mich aber zu Rheims gesehen, ist sie so erschrocken, daß ihr die threnen in den augen kommen seindt, hatt mich gejamert. Sie hatt woll geschaffene kinder, ich [477] fürchte aber, der elste wirdt ein rieß werden, den er ist schon 6 schuh hoch undt doch nur 15 jahr alt. Die 4 andern kinden seindt weder groß, noch klein vor ihrem alter. Der jüngste, printz Carl, ist, waß I. G. s. unßer herr vatter alß pflegt zu sagen, ein wunderlicher heylliger; daß maul geht ihm nicht zu undt ist allezeit lustig, raisonnirt im[m]er mitt seinen schwestern undt recht possirlich; er ist weder hüb[sch], noch heßlich. Den hübschten[5] in meinem sin von den 3 buben ist der mittelste; von den medger ist die jüngste zwar die hübschte, allein die eltste ist so woll geschaffen, daß man sie doch auch nicht vor heßlich halten kan. Ich wolte Eüch von hertzen gern lenger entreteniren, ich bin aber leyder zu schwach noch dazu, liebe Louise, nur noch sagen, daß ich daß schiffer von Ewern lieben [brief] verlohren; derowegen fange ich dießen brieff wider mitt no 1 ahn. Ich habe monsieur le Fevre heütte gesehen, er wirdt mir ein memoire vor meinen sohn geben, so baldt er ahnkommen wirdt sein; sie seindt heütte noch zu Chantillie[6]. Vor dieß mahl nehmbt nur hiemitt vorliebt, liebe Louise, undt seydt versichert, daß, so lang mir gott daß leben laßen wirdt, werde ich Eüch von hertzen lieb behalten!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. November 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 475–477
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1370.html
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