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Brief vom 4. August 1694

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


2021.


[518] [1]
St Clou den 4 Augusti 1694.
Vorgestern habe ich Ewer schreiben vom 10/20 Julli in ma tante paquet entpfangen, bin recht fro, darauß zu ersehen, liebe Louisse, daß mein letztes schreiben Eüch ahngenehm geweßen undt Ihr ahn meiner affection kein zweyffel traget. Jederman, so Eüch undt Ewere geschwister kenet, geben Eüch daß zeügnuß, daß Ihr viel verstandt, meritten undt tugendt habt, welches ich dan immer mitt freüden vernohmen undt mich noch mehr encouragirt, die liebe zu Eüch kindern zu tragen, die ich Eüch schon wegen deß geblüdts schuldig bin; also gar keine generositet ahn mir, wen ich Eüch lieb habe, thue hirin nur meine schuldigkeit undt waß Eüch von rechtswegen gebühret. Auch erinere ich mich noch woll, wie sehr ich solches I. G. unßer herr vatter, dem churfürsten s., versprochen habe, wie ich von Strasbourg weg. Habe ich es Eüch andern aber seyderdem nicht erwießen, so ist mein unglück dran schuldt, so mir keine mögliche gelegenheit dazu gegeben; der wille aber ist allezeit gutt geweßen, undt solte sich in meinem leben noch einige gelegenheit finden, dieße warheit Eüch zu bestettigen, würde ich gewiß solche nicht verfehlen. Ich kan nicht begreiffen, wie es kompt, daß Carl Moritz so klein geblieben, Carllutz undt Carl Edewart waren ja lang von person. Ich kans ihm nicht verdencken, daß er lust zum krieg hatt. Weillen er so ein groß accident bekommen undt doch ohne schaden davon kommen ist, hoffe ich, daß es ein zeichen, daß er nicht unglücklich im krieg sein wirdt. Mein armen Carllutz werde ich mein leben regrettiren; so offt ich von ihm spreche, schießen mir die threnen in den augen. Ma tante ist eben auch so, sie hatte mir Carl Moritz accident geschrieben, ich hette seine relation gern gesehen. Daß er klein ist, kan ihn nicht hindern, in den krieg zu gehen, den in einem kleinen mängen kan woll ein großer muht stecken undt der krieg steht den jungen leütten woll, undt wen man von qualitet undt kein geistlicher nicht ist, steht es woll, den degen nicht umsonst zu tragen, kan also Carl Moritz nicht anderst, alß loben, daß er mitt gewalt in den krieg gewolt hatt. Es ist mir lieb, daß h[err] Ferdinand von Degenfelt noch gesundt ist, den er ist doch nicht jung mehr. Gegen wen habt Ihr [519] dan proces wegen Rockwoodts er[b]schafft? Es ist mir leydt, daß die sach noch nicht außgemacht ist. Mich wundert h[err] Max, so nun kräncklich ist undt doch alß kinder bekombt; bitte, ihm glück zu seiner dochter zu wünschen, auch mein gruß an madame Brun zu machen. Freüllen Charlotte hatt sich mitt bedacht verheüraht, den es wahren bey ihr kein kinderpoßen. Es kompt mir poßirlich vor, zu gedencken, daß freüllen Anna Catherin, die Wollmersheüßerin, nun großmutter ist. General Cha[u]vet würde eine andere ideé von mir faßen, wen er mich nun sehen solte; er würde mich nicht mehr kenen. Ich bin nun auff wenigst so dicke, wie die jungfer Colb war, undt daß springen undt lust ist mir sehr vergangen hir im landt, lache offt in einem mont nicht ein mahl. Alle unglück der Pfaltz seindt mir so sehr zu hertzen gangen sambt den verlust der meinigen, daß mir alle lust drüber vergangen ist; zu dem so habe ich auch ursach, stehts in sorgen vor meinem sohn zu sein, welches dan gar nachdenckisch macht. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, macht doch mein compliment ahn I. L. meinen vettern, den landtgraffen, undt seine gemahlin! Ich bin recht fro, daß Ihr Eüch divertirt zu Franckfort, undt wünsche von hertzen, daß Ihr vergnügt leben möget. Es ist war, daß mir ma tante die hertzogin von Eyßennach sehr gelobt hatt. Ich bitte, schreibt mir fleyßig undt waß sich alß neües vorträgt! den daß divertirt mich recht. Amelis ambrassirt wider von meinetwegen! Schreibt mir auch, ob Ihr nicht verspürt, daß ich mein Teütsch vergeßen! Es were kein groß wunder, den ich rede offt in 3 mont kein wordt Teütsch undt es wirdt nun baldt 23 jahr sein, daß ich hir in Franckreich bin. Da kompt madame de Chartre her, muß also enden undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich [Euch] allezeit lieb behalten werde.
P. S.
Wen Ihr ahn Caroline schreibt, bitte ich, meinen gruß nicht zu vergeßen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. August 1694 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 518–519
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2021.html
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