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Brief vom 10. September 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


2031.


[536] [1]
St Clou den 10 September 1695.
Hertzliebe Louisse, unßer commerce ist nun woll establirt undt die brieffe gehen all richtig, wie mir deücht, den gestern habe ich Eweren brieff vom 20/30 Aug[usti] entpfangen. Aber Ihr spottet meiner, liebe Louisse, vor eine gnade zu halten, daß Ewere brieffe mir ahngenehm undt daß ich nicht überdrüßig drüber werde; undt wen daß were, müstet Ihr ja ahn meiner freündtschafft zweyfflen, den es ist gewiß, daß man nie müde wirdt, von denen waß zu hören, so man lieb hatt, contrarie, daß erfrewet immer. Freylich würde ich es vor ein compliment halten undt es were auch eins in der that, wen Ihr weitter hirauff waß gesagt hettet. Die vielfaltige ähren werden nun gar a la mode in Teütschlandt. Von Strasburg hatt man mir auch eine beschreibung von einem geschickt, wie Ihr auß hir beyliegendem truck sehen werdet. Wen die Frantzoßen Teütsch leßen könten, würden sie von den versen uhrtheyllen, daß man in Teütshlandt poetten hatt, wie der pont neuff, wo man alle tag dergleichen findt. Die mode kompt aber nun auff, daß man au pont neuff auff jederman, insonderheit auff generals-personen, offendtlich lieder singt; der letzt verstorbene ertzbischoff von Paris ist auch nicht gespart worden. Daß solte doch, wie mich deücht, abgestrafft undt nicht gelitten werden. Sie seindt doch etlich mahl so possirlich, daß man daß lachen nicht halten kan, wen man sie singen hört. Alß zum exempel, so baldt daß schloß von Namur über war, hatt der könig den marechal de Bouffler[s], so sich woll deffendirt hatt, zum duc gemacht; darauff hatt man gleich zu Paris folgendes liedt gesungen:
Si des villes que nous perdrons
On fait duc ceux qui les rendront,
Landrirette,
Il y en ora nombres icy, landriry.
Auff den marechal de Villeroy, der doch sein bestes gethan, haben sie 22 lieder auff allerhandt melodeyen gemacht. Auff alles, waß in Franckreich geschicht, macht man vers undt lieder. Wie unßere königin starb, war ich recht von hertzen betrübt undt hatte es auch recht ursach; jedoch war es mir ohnmöglich, daß lachen zu halten, [537] alß man mir die lieder du pont neuff brachte, wo man die gutte königin mitt unß alle, wie auch mitt dem könig, reden machte. Bilde mir ein, daß daß liedt von der königin Marie von derselben gattung muß gewest sein. Ich glaube, daß, wen der frieden baldt kommen solte, daß es ein recht miracle sein wirdt; den woll wenig aparentz dazu ist. Daß bombardiren ist etwaß abscheüliches, ich kans nicht leyden. Die churfürstin von Bayren muß nicht gar kranck ahn ihrem bößen kindtbett geweßen sein, weillen sie ja auff einen balcon daß bombardiren von Brüssel soll zugesehen haben; daß kompt mir abscheülich vor. Die lieb zwischen dem churfürsten von Bayren undt seiner gemahlin hatt gar kurtz gewehrt undt machen, wie im opera von Alceste steht: Lhimen detruit la tendresse, il rend lamour sans attraits. Also hatt die lieb auch bey dem ehestandt nicht bleiben können. Ich hoffe, daß Carl Moritz woll von Namur undt allen stürmen komen ist. Weillen selbiger ort nun mehr gantz über ist undt, ob gott will, so wirdt woll diß jahr die campagne ein ende haben. Were eine schlagt worden, würde mein sohn freylich dabey geweßen sein; allein königs Wilhelms armee war zu starck verschantzt, die unßerige haben nicht attaquiren können. Vor alle gutte wünsche, so Ihr, liebe Louisse, meinem sohn thut, bin ich Eüch sehr verobligirt. Seine gesundtheit erhält sich noch so zimblich, ob er zwar abscheüliche fatiguen außgestanden; wir werden ihn nun baldt wider hir haben. Die sicherste geneßung ist, wen die natur selber operirt; also wirdt herr Max töchtergen woll nicht wider kranck werden. Ich weiß, daß man der alten runkunkel, so der gutten fraw von Brun gleicht, in Hollandt nicht spart; zu Paris werden auch täglich reimen undt lieder auff sie gemacht, die abscheülich sein, aber doch lachen machen, den es warlich gar woll ahngewendt ist. Ich habe woll gedacht, daß der graff von Hohenlo der ist, welchen ich vor dießem gekandt habe undt zu Heydelberg gesehen hatte. Wen Ewere Keßlerin ihrem elsten bruder gleicht, muß sie nicht heßlich sein; den er wer artiger vor ein metgen geweßen, alß er vor ein bub war. Ihr werdt, wie ich glaube, meine andtwort ahn Caroline eher, alß dießen brieff, entpfangen. Wie sie mir bericht, so wirdt sie wegen ihrer gesundtheit eine reiße in Teütschlandt thun. Ich bin versichert, daß Ihr undt Amelise eine große freüde haben werdet, Carolline zu sehen. Ich wolte, daß ich auch dabey sein könte, Eüch alle 3 von hertzen zu ambrassiren [538] undt zu versichern, daß ich Eüch alle recht lieb habe undt allezeit behalten werde.
P. S.
Sontag, den 11 September, nachmittags umb 3 uhr.
Gestern hatte ich dießen brieff zwar geschrieben, aber nicht zu pitschirt; kan Eüch derowegen noch sagen, daß mein sohn unß heütte surprenirt hatt, ist auff einmahl ahngestochen kommen, wie wir eben ahn taffel wahren undt unß ahm wenigsten versahen. Er sicht nicht so übel auß, wie man mir gesagt hatt; es ist 8 tag, daß er sein quinquina quittirt hatt. Ich habe Eüch, liebe Louisse, dießes noch schreiben wollen, den ich bin persuadirt, daß Ihr Eüch mitt mir erfrewen werdt, daß ich mein sohn wider gesundt, gott sey danck, bey mir habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. September 1695 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 536–538
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b2031.html
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