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Fontainebleau den 13 Aug[usti] 1711.
Hertzallerliebe Louisse, seyder ich hir bin, habe ich 5 von
Ewern lieben schreiben von Eüch entpfangen, 2 von Herrnhaussen
undt 3 von Franckfort. Ich kan woll mitt warheit schwehren, daß
ich mich mehr, alß 20 mahl, hir her gesetzt habe mitt der feder in
der handt, umb zu andtwortten, undt bin alle mahl verstört worden;
es ist mir gar zu wunderlich mitt gangen. Gott gebe, daß ich heütte
waß außschreiben mag! Ich dancke Eüch sehr, continuirt zu haben,
zu schreiben, ob ich zwar nicht geschrieben hatte; bin Eüch recht
davor verobligirt, ich entpfange Ewer liebe schreiben mitt rechtem
vergnügen. Heütte habe ich daß vom 4 dießes monts entpfangen,
ahn welchem ich meine andtwort ahnfangen werde; bin fro, daß
die brieff von hir richtig gehen. Man helt vielleicht zu Franckfort
selber alle brieff auff, so auß Franckreich kommen; es ist doch noch
gutt, daß sie nicht verlohren werden. Mein intention ist woll
geweßen, nichts hindern zu laßen, Eüch zu schreiben, aber ich habe
nicht dazu gelangen können; aber ich will alles so wenden, daß
ich hinfüro fleißiger mitt schreiben werde sein kön[n]en. Ich habe
die pillen zu recht entpfangen, dancke Eüch sehr davor; muß noch
eine betteley thun umb ein schachtelgen vom Nürnberger pflaster,
so miracle hir thut. Chur-Bayrn helt von die arme leütte nicht[s],
so nicht in faveur sein, also hatt er nichts auff mich halten [können].
Ich habe ihm doch weniger unehr ahngethan, alß er mir; den ich thue
nichts, alß waß meinem standt gemäß ist, aber daß hatt er hir
nicht gethan. Aber genung hirvon, muß nur daß noch sagen, daß
er gemeint, daß, wen er sich alß ein vetter von mir erklarte, würde
die allmächtige dame, die mich so erschrecklich hast, ihm nicht
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mehr gnädig sein. Hir sagt man auch, das I. L. ahm R[h]ein die
frantzösche arme comandiren solle, allein ich sehe noch nichts
davon. Die verrahterey von Landau nimbt mich gar nicht wunder;
wo Frantzoßen sein, werden sie allezeit vor ihrem könig sein.
Madame de Bery unglückseeliges kindtbett ist viel schuldig, daß ich
Eüch die 3 wochen her nicht habe schreiben konnen, den ich habe
2mahl deß tags hin gemüst. 10 schlegt alleweill, ich muß noch
auff morgen verschieben.
Freytag, den 14 Augusti, umb 4 abendts.
Auß waß ich Eüch gestern abendts geschrieben, werdet Ihr
schon sehen, liebe Louise, daß es nur zu war ist, daß madame la
duchesse de Bery ein gar böß kindtbett gehabt hatt. Daß konte
nicht anderst sein, wie man sie gouvernirt hatt; es hatt ihrer fraw
mutter genung gerewet, ich hatte es ihr gesagt, daß es kein gutt
thun konte, sie hatt mir aber gar nicht glauben wollen, wen ich
gesagt, waß ich mein, daß meine schuldigkeit ist. Will man mir
nicht folgen, bekümmere ich mich weitter nichts drumb. Madame
de Bery unglück hatt mich nicht betrübt, den erstlich ist es gar
glücklich abgeloffen undt madame de Bery hatt nicht die geringste
gefahr außgestanden; zum andern so war daß kindt nur ein medgen
undt die zwey eheleütte seindt ja jung genung, umb noch mehr zu
bekommen; undt zum 3ten, so war mirs auch nicht leydt, daß alle
die junge leütte, so meiner gespot hatten undt mir nicht glauben
wolten, doch sehen, daß ich recht gehabt habe. Hir ist es die mode
nicht, daß die kinder den eltern viel freüde schaffen. Es ist leicht
zu glauben, daß sich viel leütte in Franckfort einfinden werden,
den alle einzüge werden waß schönnes sein. Die Franckforter
werden woll viel bey dießer wahl gewinen. Die printzeß Louise von
Wolffenbüttel eylt gewiß wider nach hauß, den ihre dochter,
printzes Anthoinette, ist auff den todt gelegen, doch nun wider waß
beßer, wie ihr groß herr vatter mir geschrieben. Die fürstliche
personen finde ich glücklich, die zu den ihrigen reißen können, wen
sie wollen. Von der princes von Vehl habe ich mein leben nicht
gehört; ich kene woll graffen von Vehlen, aber keine fürsten; zu
dem seindt sie die alsten graffen nicht. Die große complimenten
wehren eben nicht, waß mir ahm besten ahn printzes Charlotte von
Wolffenbüttel gefahlen solte, den ich finde es recht fatigant undt
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die complimenteüssen haben ordinarie waß gezwungenes ahn sich,
so mir nicht gefehlt; ich sehe gern, daß man natürlich ist. Ma tante
hatt mir selber ihren durchlauff geschrieben; I. L. hatten zu viel
feygen undt melonen geßen. Wen der durchlauff nicht zu lang
wehrt, ist er nicht ungesundt. Geschwollen zahnfleisch kan
schmertzlich sein, ist aber, gott lob, gar nicht gefährlich. Gott gebe, daß
I. L. es weitter, alß der gutte, ehrliche monsieur de Polier s. bringen
mögen! Sein todt ligt mir noch gantz schwer auff dem hertzen.
Hiemitt ist Ewer letz[t]es undt wehrtes schreiben vollig beantwortet.
Ich komme auff daß vom 28 Julli; ich hoffe, daß sich unßere
corespondentz einrichten wirdt. Vom gutten, ehrlichen monsieur de
Polier s. will ich nichts mehr sagen; der gutte man ist nicht allein
zufrieden geweßen, zu sterben, sondern hertzlich fro. Es seindt mir
hir vielle, [die mich] näher ahngehen, alß er, welche mich nicht so
sehr undt so lang betrüben würden. Die gräffin von Platten ist die
jüngste nicht, mogte auch woll nun die gallanterie undt coquetterie
fahren laßen. Ich meinte, die comedie spilt man nur teste a teste.
Von Ewerer reißgefahrtin sage ich nichts, weillen ich weiß, daß
Ihr dießer geselschafft quit seydt. Ich habe ahn Lenor gesagt, wie
daß Ihr meint, daß ihres neuveux fraw schwanger ist; daß freüet
sie recht von hertzen undt sagt, sie wünsch ihr alles glück undt
heyll. Gott gebe, daß Chur-Bayrn ein wenig consideration vor
meine bitte in Eüern sachen, liebe Louisse, haben mag undt daß
es woll ablauffen mag! Ich thue mein bestes vor Ewer neuveux in
der sach von Coubert, aber ich fürcht, der printz d’Yssenguien
endtlich die confiscation bekommen wirdt. Wolte gott, liebe Louisse,
daß ich Eüch recht essentiellement dinnen konte! Ich wolte mich
von hertzen dazu emploiren undt es vor ein glück schätzen, wen
ich Eüch zu etwaß gutt sein könte. Heütte kan ich nichts mehrers
sagen, den ich habe noch 3 brieff zu schreiben. Adieu, hertzliebe
Louisse! seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb
behalte!