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Brief vom 11. August 1686

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


62.


[072]
Versaille den 11. Augusti 1686.
I. L. printz Carl[1] haben mir gestern abendts adieu gesagt undt ich muß gestehen, daß ich den gutten printzen nicht ohne threnen habe weggehen sehen können, denn ich habe ihn von hertzen lieb undt flatire mich, daß I. L. mich auch nicht haßen. Er wirdt E. L. ein hauffen von hier verzehlen; ich habe ihn expresse von viellen sachen informirt, umb E. L. solches zu berichten. Damitt aber E. L. nicht gar zu müde mögte werden, alzeit langweilige sachen ahnzuhören, so hab ich dem printzen auch hundert badinerien undt sottisen gesagt, so hir vorgehen, welche, wie ich hoffe, E. L. ein wenig divertiren werden. Ich schicke E. L. auch durch dieße gelegenheit ein wenig kupfferstück, umb zu blettern; printz Carl hatt selbige bezahlen wollen, aber ich hoffe, E. L. werden mir woll erlauben, daß ich E. L. das present thue, welches ohne mich zu ruiniren geschehen kan undt nicht in die communauté wird gerechnet werden, wie alles so meine erbschafft ahnbelangt, kan solches schicken ohne die procuration von Monsieur von nöhten zu haben, ob er zwar le maitre de la communauté ist. …
Unßer König ist nun waß kranck undt man sagt, es mögte woll ein viertägig fieber drauß werden. Wenn dem also ist, so bewahr unß Gott, denn er wirdt woll noch hundert mahl gritlicher[2] werden alß er schon ist. Ja, wer nichts mitt dießem hoff hir zu thun hette, der müste sich halb kranck lachen, zu sehen, wie alles hergeht. Der König bildt sich ein, er seye devot, weill er bey kein jung weibsmensch mehr schläfft, undt alle seine gottesforcht besteht in gritlich sein, überall spionen zu haben, so alle menschen falsch ahntragen, seines brudern[3] favoritten zu flattiren undt in general alle menschen zu plagen. Das alte weib, die Maintenon, hatt ihren spaß, alles was vom Königlichen hauß ist, dem König gehast zu machen undt darüber zu regiren, außer Monsieur, den flattirt sie bey dem König undt macht, daß er woll mitt ihm lebt undt alles thut, was er von ihm begehrt; welches leicht zu accordiren ist, wie E. L. ferner hören werden. Hinterwerts aber ist dießem alten weib bange, daß man meinen mag, daß sie Monsieur estimire, derowegen, so baldt alß jemandes von hoff mitt ihr spricht, sagt sie den teüffel von ihm: daß er zu nichts nutze seye, der debauchirtste mensch von der welt, ohne secret, falsch undt untrew. Die dauphine[4] ist [073] ohnglücklich, undt ob sie schon ihr bestes thut, dem König zu gefahlen, wirdt sie doch auß ahnstifftung des weibes täglich sehr übel tractirt undt muß ihr leben mitt langerweill undt schwangersein zubringen. Ihr herr, mons. le dauphin, frägt nach nichts in der welt, sucht sein divertissement undt plaisir wo er kan undt wirdt erschrecklich debauchirt. Monsieur ist es nicht weniger undt seine eintzige aplication ist, mir böße officien bey dem König zu leisten undt mich überal zu verachten, seine favoritten zu recommandiren undt selbigen bon traitement vom König mitt sonsten gnaden zuwegen zu bringen; seine kinder aber zu befördern, da denckt er nicht ahn. Ich vor mein theil muß also auff die defensive leben, denn alle tage macht man mir neue händel, welche ich doch durch meine conduitte suche zu meyden so viel mir nur möglich sein kan. Printz Carl hatt mich in allen stunden gesehen, der kan E. L. sagen, wie ich meine zeit zubringe, undt ob waß ahn meiner conduitte zu datlen[5] ist; jedoch hab ich täglich waß neües. Das alte weib[6] hatt schon mehr alß 10 mahl mad. la dauphine wollen gegen mich auffrupffen[7] undt gesagt, daß sie absolute mitt mir freündtschafft brechen müste, wenn sie wolte, daß sie sie woll bey dem König setzen solte; alß aber mad. la dauphine hatt wißen wollen, was sie gegen mich zu sagen finde, hatt sie ihr nichts andtwortten können. Unterdessen aber muß ich sowoll durch des weibs ohnverdienten haß bey dem König, alß auch meiner alten feinde haß bey Monsieur leyden. Das ist mein zustandt, welchen wenn ich die zeit hette, E. L. mitt einem großem detail zu verzehlen, bin ich versichert, daß E. L. solches schir vor unglaublich halten würden; aber in was ich E. L. hir sage, sehen sie schir en general den plan vom hoffe, wie er jetzunder ist. Madlle[8], die grand duchesse[9] undt mad. de Guise[10], denen sagt man weder gutts noch böß undt helt sie vor nichts, welches ihr vor ein glück schetze, wolte in dem fall gerne mitt ihnen tauschen. Mr. le duc[11] ist ventre à terre vor alles was man faveur heist, worüber sie ihn noch darzu außlachen. Mitt der printzes de Conti[12] undt mad. de Bourbon[13] da spilt sich mad. de Maintenon mitt, alß wenn sie sie in einer wage hilte: baldt erhebt sie dieße undt stößt jene zu boden, baldt bringt sie jene in gnaden undt verstößt dieße … Ich schreibe ahn die fraw von Harling: es ist nicht alles golt was glänzt, allein E. L. sehen durch dieße beschreibung, daß ich nur gar zu groß recht [074] habe, solches zu sagen. Durch die post hette ich E. L. dießes alles woll gar nicht schreiben dörffen, wie sie woll gedencken können, allein durch dieße sichere gelegenheit habe ich es nicht laßen können. Wenn E. L. noch wißen wollen, wie ferner der hoff beschaffen ist, so muß ich sagen, daß alle minister das weib[14] flatiren undt suchen durch hundert bassessen woll bey ihr zu sein; alle andere leütte, so in ein raisonable alter sein undt ehrliche männer, seindt trawerig; sie haben kein gelt, sie förchten sich alle vor die spionen, welche ohnzehlbar sein; sein malcontent undt können sich doch nicht helffen. Alle junge leütte in general seindt erschrecklich debauchirt undt allen lastern ergeben, liegen[15] undt betriegen fehlt ihnen nicht undt meinen, es were ihnen eine schande, wenn sie sich piquiren solten, ehrliche leütte zu sein; was sie aber thun, ist sauffen, debauchiren undt wüsteneyen sagen, undt wer ahm ungeschicksten unter ihnen ist, davon halten sie ahm meisten undt der ist ahm besten estimirt. Durch diß alles können E. L. leicht urtheyllen, wie große lust es hir ahm hoff vor ehrliche leütte geben muß; ich förchte aber, daß, wenn ich meinen recit vom hoff noch lenger fortführen solte, würde ich E. L. eben eine solche langeweill geben, alß ich gar offt entpfinde, undt dießes endtlich eine ahnsteckende kranckheit werden, muß derowegen davon auffhören zu reden; auch werden E. L. ohne zweiffel lieber printz Carl entreteniren wollen. Ich bin versichert, daß E. L. printz Carls taille viel schöner werden finden, alß I. L. sie gehabt, alß sie herkamen, undt ihn auch werden gewachsen finden. I. L. haben hir sehr woll reussirt undt viele sein verwundert, daß er so verständig in so einer großen jugendt[16] sein kan undt sich so woll in alles schicken. Es ist gewiß, daß der printz den jungen leütten hir woll gar nicht gleich ist, hatt mehr verstandt im kleinen finger, alß ein dutzend hir in leib undt sehl. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. August 1686 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 72–74
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0062.html
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