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Brief vom 28. Oktober 1687

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


74.


[088]
Fontainebleau den 28. Octob. 1687.
… Was des armen marschalcks Bulo[1] sein unglück betrifft, so verdrist es mich recht, zu hören, daß die Teütschen jetzt ebenso medissant undt malicieux werden, wie die Frantzoßen. Vor dießem undt alß ich noch zu Teutschlandt war, deücht mir, daß es nicht erlaubt war, so impertinent von hohen häuptern undt könig- undt fürstlichen personen zu reden. Wenn unßere Teütschen in dießer mode exagiriren wollen, wie sie in den trachten thun, so werden endtlich schöne sachen herauß kommen; will hoffen, daß sie sich anderst besinnen werden. Damitt unßere printzen[2] alle divertissementen von Fontainebleau genießen mögen, so habe ich sie nun ins balhauß geschickt, wo eine große parthie gespilt wirdt von allen den celebren spiellers. Printz Cristian weckst erschrecklich undt bekompt gar eine schöne taille; printz Ernst Augustien weckst nicht so starck, ist aber doch noch alß sehr artlich; ich plage I. L. unerhört, aber er verstehet gar woll raillerie. … Dießen abendt werden wir italliensche commedie haben. Ich weiß nicht, ob mad. la dauphine ihre jungfern sehr im humor sein, braff drin zu lachen, denn ihnen seyder ein par tagen eine avanture begegnet ist, welche gar nicht lächerlich vor ihnen ist: ihre hoffmeisterin[3] hatt ein buch bey ihnen gefunden, so gantz voller erschrecklichen wustereyen ist, undt dermaßen, daß kein eintzig capitel ist, so nicht von allen den ärgsten posturen spricht, so man erdencken mag. Die hoffmeisterin ist gleich zu mad. de Maintenon [gegangen], wo der König war, undt hatt dem König das buch gegeben mitt bitt, I. M. mögten ihr erlauben, sich zu retiriren, denn es ihr unmöglich seye, die medger im zaum zu halten. Der König ist hirüber erschrecklich böß geworden über die jungfern, ist gleich zu mad. la dauphine kommen, hatt ihr das buch gewießen undt dabey gesagt, daß mad. la dauphine hinfüro mitt den jungfern machen könte was sie wolte, daß er sich gar nicht mehr ihrer ahnnehmen wolle, daß wenn sie sie alle wegjagen wolte, stunde es bey ihr, wie auch, [089] welche sie behalten wolte oder andere nehmen; daß welche nach ihrem gefallen leben würde, die wolle er hinfüro suchen zu protegiren undt sie woll zu verheürahten, die andern aber solten nichts pretendiren. Mad. la dauphine hatt hirauff geantwortet, daß sie nichts resolviren könte, biß sie mitt mons. le dauphin von der sachen gesprochen hette; daß sie woll wüste, daß eine von ihren jungfern mr. le dauphins mestres sein wolte, die andere die confidentin, die dritte resolvirt hette, ihre spionin zu sein, undt die 3 andern gar impertinente discoursen von ihr fürten, welches ihr all woll bewust were, sie also gar kein ursach hette, von keiner eintzigen zufrieden zu sein, daß sie aber zu dießem allen allezeit stillgeschwigen hette, weillen sie gesehen, daß der König undt mr. le dauphin die jungfern protegirten, daß sie solches mitt verachtung undt mespris ahngesehen, mitt der gewißen versicherung, daß die sache auff die lenge gar kein gutt thun würde undt sie alle ahnlauffen würden durch ihr wunderlichs leben undt thun, wie denn eben geschehen; daß sie deren, so mons. le dauphins metres sein wolte, nicht mehr übels gönne alß den andern, indem solches doch nie verhindert hette, daß mons. le dauphin sehr woll mitt sie lebte undt consideration vor sie hette, daß sie derowegen auch soumission vor mons. le dauphin haben wolte, in dießer sachen nichts zu thun als was sie mitt ihm überschlagen hette, daß sie ihm ihre meinung vortragen wolle, welche seye, den jungfern alle dißmahl zu verzeyen, damitt ihre verwanten nicht mögten beschimpfft werden, ihnen doch zu wißen zu thun, sich baldt umb männer vor ihre döchter umbzusehen. Undt wenn sie werden verheüraht sein, wirdt mad. la dauphine keine andere jungfern wider ahnnehmen. Mons. le dauphin hatt dießen vorschlag sehr gutt gefunden, undt dabey ist es geblieben, doch mitt dem beding, daß die jungfern beßer leben sollen. Der gantze hoff hatt mad. la dauphine clemence undt generositet sehr gelobt, hergegen aber seindt der jungfern verwanten sehr übel mitt der hoffmeisterin zufrieden, weillen sie aber eine von der Mad. de Maintenon favoritten ist, darffs sich niemandes mercken laßen. Das ist was ich E. L. ahm neüsten vom hoff berichten kan. Die hoffmeisterin, so mad. de Monchevreuille[4] heist, wirdt hinfüro ein pension vom König haben undt bey hoff bleiben. Mr. le duc[5] hatte den jungfern das schöne buch gegeben. Die 6 jungfern heißen: la Force[6], Biron, Gramond, Semeac (dieße seindt 2 schwestern, des conte de Gramont seine döchter), Bellefond[7] et Momorancy[8], alle von gutten häußern, wie E. L. sehen, allein ihr leben undt wandel stimbt gar nicht mitt ihrem adel überein; wenn mad. la dauphine nicht die clemence gehabt hette, ihnen zu verzeyen, weren sie alle auff einen tag weggejagt worden. … [090]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Oktober 1687 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 88–90
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0074.html
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