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Brief vom 5. Juni 1689

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


88.


[108]
St. Clou den 5. Juni 1689.
… Ob ich zwar nun schon woll gewont sein solte, das arme vatterlandt in brandt zu wißen, indem ich seyder langer zeit her von nichts anderß höre, so kan ich doch nicht laßen, allemahl, wenn man mir auffs neüe einen ort nent, so verbrent ist worden, solches zu bedauern undt mitt schmertzen ahnzuhören. Es ist woll eine große charitet ahn E. L., den armen Pfältzern allmoßen zu geben. Letzmahl hatt mir Monsieur was gesagt, das mich recht in der seelen verdroßen hatt undt ich bißher nicht gewust hatte, nehmblich daß der König alle contrebutionen in der Pfaltz in meinem nahmen auffgenohmen; also werden die armen leütt meinen, ich hette von ihrem unglück proffitirt undt were ahn alles ursach, undt das betrübt mich recht von hertzen. Wolte Gott, daß es wahr were, daß man mir alles das gelt geben hette, so man auß der armen Pfaltz gezogen, undt daß man mich damitt gewehren ließe: die armen raugräfflichen kinder undt die armen Pfältzer würden sich gewiß beßer dabey befinden. Aber die warheit ist, daß ich weder heller noch pfennig davon hab zu sehen bekommen. … Ich muß gestehen, seyderdem ich sehe, daß die pfaffen so gar unchristlich sein undt überall nichts alß barbarien begehen machen oder auffs wenigst nicht abwehren, wo sie es thun solten, kan ich sie nicht mehr vertragen undt seindt mir alle ein solch abscheü worden, daß, ehe ich jemandes von meinen ahngehörigen sehen solte, so ein pfaff sein würde, mag ich ihn noch lieber sein brott bettlen sehen. Aber diß ist ein text, bey welchem ich mich nicht lang auffhalten muß, denn solte man es auff der post lesen, würde man ohne zweiffel sagen, daß ich dragoner vonnöhten hette, umb mich zu bekehren; muß derowegen von waß anderß reden. …
Gott der allmächtige wolle gnädig die beyden lieben printzen in Ungarn vor unglück behütten undt E. L. ahn ihnen undt ahn alle Dero lieben undt hohen ahnverwantten lautter vergnügen undt glück erleben laßen. Mons. de Rebenac[1] hatt die ambassade von Constantinople in gnaden abgeschlagen. Ich habe mitt ihm wegen der gutten seeligen Königin in Spanien[2] todt gesprochen; es ist nur gar zu wahr, daß sie ist in rohen austern [109] vergifft worden. Unßere mad. la dauphine[3] ist woll nicht vergifft, aber sie wirdt je länger je baufälliger undt es ist mir todtbang, daß es nicht lang wehren wirdt. Im ahnfang sagten die tocktoren, umb ihren cour zu machen, ahn etliche alte weiber, so ich nicht nehnen mag, E. L. aber woll rahten könen, daß mad. la dauphine hipocondre seye undt sich nur einbildt, daß sie kranck were. Damitt haben sie das übel so einfreßen laßen, daß ich förchte, daß nun schwehrlich raht wirdt zu finden sein. Nun sie aber gantz bettlägerich ist, müßen die docktoren woll gestehen, daß es eine rechte kranckheit ist; aber sie seindt gar ignorant undt wißen nichts alß bourgiren[4], aderlaßen undt clistiren, undt damitt ist mad. la dauphine nicht geholffen. Wenn unß Gott nicht sonderlich hilfft, förchte ich, daß wir erster tagen etwaß abscheüliches noch hir erleben werden; es graust mir, dran zu gedencken, denn ich habe die gutte mad. la dauphine von hertzen lieb.
P. S. Mitt E. L. gnädigen erlaubnuß befehle ich mich gehorsambst ahn oncle undt bitte I. L. so woll alß E. L., Dero (nunmehr) alten Liselotte nicht zu vergeßen. Morgen werden wir wider nach Versaille, umb ein tag 10 dort zu bleiben; hernach kommen wir wider her, umb 8 [tage] hir zu sein. Was ich neues bey hoff erfahren werde, will ich E. L. von dort auß berichten. Die weiber hudlen[5] mich; ich mögte daußendt mahl lieber fortfahren, E. L. zu entreteniren, als sie zu sehen, aber ich muß woll zu ihnen, sonst heißt es: ah que Madame est sauvage. Elle n’aime pas à voir le monde, elle aime mieux demeurer dans son cabinet, undt was dergleichen mehr sein mag. Solten sie aber recht böß über mich werden, muß ich doch noch sagen, daß, wan ich versichert were, daß meine schmutzige dämpfe undt schleicher met verlöff met verlöff so großen verstandt könten geben, wie ich sehe, daß nun der printz von Oranien hatt, würde ich meinem herren undt meinen kindern immer met verlöff in die naßen scheißen, in hoffnung, daß sie dießes mitt der zeit zu Königen machen könte. Ich hoffe, daß, wenn das unglück hir wolte, daß der printz von Oranien (denn wir hir dörffen nicht König Wilhelm sagen) sich rächen solte, daß er sich unßer alten liebe erinnern möge undt mir kein leydt thun, allein es ist noch nicht ahn dem, undt glaube ich, daß wir noch manchmahl vorher auff undt ab rutzschen werden, wie nun. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Juni 1689 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 108–109
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0088.html
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