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Paris den 8. Juni 1692.
… Könten E. L. mich sehen, würden sie mich gar gewiß erschrecklich
verendert finden. Aber ob ich schon nicht mehr lustig bin, schadt mir die
trawerigkeit doch nichts ahn der gesundtheit, denn ich werde dick undt starck
dabey. Ob ich schon täglich mein bestes thue, mir den chagrin auß dem
hirn zu bringen, so kan ich doch nicht dazu gelangen, denn wenn man einmahl
in so ein leünisch weßen hinein kompt, kan man schwerlich wider herauß.
Wenn E. L. wüsten, welch ein unterschiedt es ist hir im lande, waß man
einen tag sagt oder den andern, würden E. L. finden, daß, ob man mich
zwar vielleicht einen tag gelobet, mag man mich doch woll andern tags gantz
veracht haben. Ich habe diß exempel vergangen jahr gesehen: alß der König
zu Mons war, thate ich mein bestes ahn alle damen hir zu gefahlen; man
lobte mich undt ich dachte, ich hette etwaß schönes außgericht. Wie der König
wider zurück kame, verdroß es der alten zott
[1], daß man mitt mir zufrieden
geweßen war. Sie kont ihren zorn nicht bergen, wolte es auch nicht. So
baldt alß man merckte, daß es der alten rumpumpel
[2] verdroßen hatte, daß
man mich gelobet, war es wider umbgewandt undt alle die mich gelobet hatten,
waren diejenigen, so sich ahm meisten gegen mich deschainirten. Daher laße
ich E. L. gedencken, was ich von dem lob werde zu hoffen haben, denn waß
man mich nun lobt, seindt desto mehr blasme, wenn der hoff wirdt
widerkommen sein. Es ist schon lang, daß die alte rompompel die abscheüliche
macht hatt; sie ist nicht so närisch, daß sie sich solte Königin erklären, sie
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kent ihres manns humor zu woll; solte sie solches thun, würde sie baldt in
ungnaden undt verloren sein. Wolte Gott, sie were schon vor 5 oder 6 jahren
erkläret worden, ich würde nicht in dem ellenden standt sein, worinnen ich
lebe, will aber lieber von waß anderß reden. Der ambassadeur von Venedig
hatt ins Königs armée gesagt, daß oncle
[3] ein million ahn Keyßer geben
hette, umb Churfürst zu werden. Mich deücht, daß oncle es hette sollen
wolfeiller haben, oder, umb die rechte warheit zu bekennen, ich habe es gar
nicht geglaubt. Ich habe gestern die verwittibte hertzogin von Hannover
[4]
gesehen; sie ist von Aniere
[5] herkommen, umb mich zu besuchen; I. L. haben
mich versichert, daß sie imme sinn seindt, nach Hannover zu gehen undt gar
nicht geendert haben. Ich habe den printzessinen mein compliment drüber
gemacht, denn ich finde, daß es meritirt [ist], undt würde ich mich woll
glücklich schätzen, wenn ich das glück haben könte, so sie haben werden, nehmblich
E. L. auffzuwartten undt auß dießem landt zu gehen undt nicht mehr von
denen zu dependiren, die drinen regiren. Daß sie aber noch im stande sein,
männer zu bekommen, das mißgöne ich ihnen gar nicht, denn ich glaube,
daß der beste heüraht den teüffel nicht deücht. Der König Wilhelm undt
unßere leütte seindt nun gar nahe; Gott gebe, daß es ohne bataille abgehen
möge. Der große mann
[6] ligt zu bett ahm bodagra; ich glaube, daß die
seeschlacht
[7] ein böß pflaster vor seine schmertzen sein wirdt … Gott behüte
unß, daß die schlagt zu landt so übel ablauffen möge, alß die zu waßer,
mein sohn würde nicht gesundt nach hauß kommen können. Man sagt, daß
unßer armer König in Engellandt
[8] heütte oder morgen wider zu St. Germain
sein wirdt; er jammert mich von hertzen … Waß mich von herzen von ihm
gejammert hatt, ist, daß er unßerm König durch millort Melford
[9] hatt sagen
laßen: qu’il avoit soutenu ces
[10] propres malheurs avec assés de constance,
mais qu’il ne pouvoit soutenir, de porter malheur aux armes du Roy,
qui jusqu’icy avoient tousjours estées victorieuses, et qu’il prieroit le Roy
luy mesme, de l’abandonner. Die threnen seindt mir in den augen drüber
kommen. Ich mögte von hertzen gerne E. L. lenger entreteniren, allein es
ist schon spätt. …