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St. Clou den 4. September 1692.
… Es ist wahr, daß E. L. Seignelay
[1] vor Louvoy
[2] letzmahl
geschrieben, weillen ich aber den proces geleßen hatte, sahe ich woll was E. L.
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sagen wolten. Vor alle, so er genant, will ich woll vor niemandes gutt sein,
alß vor unßern König, undt ich wolte woll mein kopff verwetten, daß man
die sache gethan ohne I. M. kein wort davon zu sagen, denn hette er es
gewust, würde er nicht drin gewilligt haben. Ich habe die alte zot zu Marly
gesehen, sie ist gantz nicht decontenancirt; wer so gewohnt ist, boßhafft zu
sein, schämbt sich vor nichts. Ich glaube, daß es all lang jahre sein, daß
dieße keine scham mehr hatt. Den ertzbischoff von Reims
[3] sehe ich selten
undt [wir] reden wenig mitt einander seyder etlichen jahren, werde also E.
L. nicht sagen können, was er hirauff sagt. E. L. sehen, daß ich kein unrecht
habe, wenn ich glaube, daß itzige devotionen nur politiq undt heüchelleyen
sein. Daß König Wilhelm weder veräterisch noch cruel ist, sicht man auß
allen seinen actionen woll, undt ist woll sehr darin zu estimiren, daß er
unßern König hatt wahrnen laßen; da hatt man hir nie nichts von gesprochen,
contrari, man macht hir das geschrey gehen, daß der Keyßer die sach
abgeschlagen undt I. M. gewahrnt hette, der König Wilhelm aber nicht. Ich
habe dießes aber nie geglaubt: daß er sein schwigerherrvatter salvirt sambt
seine gemahlin undt kindt, ist gar zu augenscheinlich undt deßwegen woll
lobenswehrt. Ich muß gestehen, daß ich I. M. gütte nicht haben würde,
undt wenn man leütte umbs leben brächte, weillen sie mir den halß haben
brechen wollen, ließ ich es in Gottes nahmen geschehen undt bekümerte mich
gar nicht drumb; ich sehe woll, daß des Keyßers sentiment mehr
tugendthaffter ist, das meine aber natürlicher, undt ich kan nicht anderst alß natürlich
sein, ich habe lieb, wer mich lieb hatt, undt haße, wer mich hast. …