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Brief vom 30. September 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


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St. Clou den 30. September 1696.
Wir werden dießen nachmittag nach Paris [fahren], umb biß Mittwoch dortten zu bleiben undt Donnerstag werden wir wider nach Fontainebleau [gehen]. Ich schreibe aber, ehe wir weg [reisen] werden, denn zu Paris ist alß so ein gethuns, daß man nicht ruhig schreiben kan. Es ist nun die rechte zeit, felthüner zu schießen; mein sohn thut auch alß wenn er hinginge, fengt aber andere vögel, alß felthüner; Gott gebe, daß sie ihm woll bekommen mögen. Ich kan mir nicht einbilden, daß E. L. herrn söhnen die zeit lang bey ihnen fallen kan, aber mich wundert doch, daß oncle den Churprintzen nicht mitt sich genohmen hatt. Der Churfürst von Brandenburg hatt sein vissitte kurtz gemacht: ich hoffe aber, seine gemahlin wirdt sie desto lenger bey E. L. machen, wenn sie wider bey E. L. sein wirdt. König Wilhelm macht seine vissitten auch gar kurtz, wie ich sehe; es muß denn gantz die mode sein. Patte[2] kan hübsch mitt kinder spiellen, wie ich in meinen jungen jahren erfahren, also wirdt der kleine Churprintz woll gerne mitt seinem großoncle gefahren sein. Ich habe woll gedacht, daß oncle[3] sich woll bey der starcken bewegung befinden würde; darauß scheindt es woll klar, daß all I. L. übels vom miltz her rühret … Der Churfürst von Saxsen[4] muß auff einmahl die lection: Seit fruchtbar undt mehret euch[5] sehr observirt haben, daß alle damen, so bey ihm liegen, so mitt dicken beüchen davon kommen. Weill er die Königsmärckin[6] so menagirt, muß er sie woll lieb haben. Es ist kein wunder, daß die Türcken so tapffer gefochten[7], da sie so einen braffen Keyßer bey sich hatten undt nicht außreißen konten, bin nur verwundert, wie sie nicht alle christen nieder gesäbelt haben, da sie doch dreymahl stärcker wahren alß die christen. Das erweißt woll, daß alles nur nach dem verhengnuß geht. Ich meinte, der Churfürst von Saxsen were [258] nicht mehr so starck wie vor dießem, seyder eine flinte ihm in der handt geborsten undt den daumen zerbrochen hatt. Nun dießer Churfürst noch viel schwächer ahn trouppen geworden, wirdt er schwerlich verhindern können, daß die Türcken nicht in Siebenbürgen kommen. Ich fürcht, der Churfürst von Saxsen hatt mehr courage alß conduite. …
E. L. betriegen sich, zu glauben, daß unßer König alles größer hatt alß andere; ich habe offt sagen hören ahn leütte, so es woll wusten, nehmblich mad. de Monaco[8], daß der König nicht in alles groß seye; in wunden aber waren es I. M. abscheülich; wenn es ein ordinari geschwer geweßen were, so hette man es heyllen können mitt gekewet butterbrot, allein es war ein art von charbon, so man zu pestzeitten hatt undt so die balbirer hir ein entract[9] heißen, das heilt sich so nicht. Ich habe schon zweymahl mons. Helmonts philosophie überleßen, es seindt aber sachen drin, so gar schwer zu verstehen sein, nehmblich das 7. article wie auch das 8, worauß erscheindt, alß wenn wir ein theil von der sonnen weren. Ich kan auch nicht begreiffen, wie lamour von dem todt kommen kan; alles übrige begreiffe ich all zimblich, aber was ich auch nicht verstehe, ist, wie daß eine seele sich perfectioniren kan in einem neüen leib, da sie doch all daßelbe thun wirdt waß sie in dem ersten gethan hatt, solte also, wie aparentlich, nicht perfectionirt werden, es seye dan, daß man das sterben vor eine perfection halte, welches mir gar heßlich vorkompt. Es ist leyder nur zu wahr, daß all unßer raisoniren nichts zu der sache thut undt alles nur geht wie Gott will …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. September 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 257–258
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0255.html
Änderungsstand:
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