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Brief vom 13. Juli 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


347.


[337]
St. Clou den 13. Julli 1698.
… Die fraw zott[1] hatt, wie ich glaube, gar keine religion, thut nur alles nach ihrer ambition, umb überal zu regiren. Charlequint[2] hatt woll recht undt E. L. auch, denn ich bin woll versichert, daß so viel köpff, so viel sinn undt daß keine sein, so in alles einander gleich sein können; E. L. opinion muß die beste sein, weillen sie andern undt sich selbsten ruhe verschafft. Wie mir mons. de Meaux[3] die quietisten beschreibt, ist es gar eine gemächliche religion, denn sie halten beten undt allen eüßerlichen culte vor ohnnöhtig undt daß es nur gutt seye vor die ignoranten, allein sie, wenn sie sich nur einmahl in ihrem leben Gott ergeben, so könten sie nimmermehr [338] verdambt sein, dörfften nichts mehr thun alß nur einmahl des tages sagen: dieu est undt weitter nichts. Den gantzen tag, wenn der leib waß begehrt, muß man ihm nichts versagen undt es nur vor ein bestia halten, denn was der leib auch thun kan, so kans keine sünde sein noch unßerm Herrgott mißfahlen, denn er bewahrt sein gutt so woll, daß was man ihm einmahl geben hatt, kan nicht mehr von seiner lieb geschieden werden, sondern seindt wie der h. engel St. Michael, drumb, umb den geist zu propiren, ob er gantz von leib geschieden ist undt kein part mehr nimbt in waß ihn ahngeht, so ziehen sich die directeurs gantz splidternackendt auß undt die discipel müßen auch nackendt sein; schämbt sich jemandes oder wirdt roht, so hatt er die perfection noch nicht erreicht, schämbt man sich aber nicht, so hatt man die perfcction erreicht, wie die ertzengel zu sein. Einer von ihnen, ein Bernabitte[4], so le pere de la Combe heist, logirte bey einem müller neülich; der müller ertappte ihn bey seiner frawen, der verstundt keine raillerie undt liefferte le pere de la Combe, denn man suchte ihn in verhafft zu nehmen. Wie man ihn fragte, worumb er alß ein devot so große sünde begangen? antwortet er: Je n’ay point mal fait; Dieu[5] m’avoit donné un esprit de blaspheme, qui m’incommodoit fort; je luy ay dit de m’en envoyer un auttre; il m’a pour me mortifier envoyé l’esprit de desbeauche. Je m’en suis desfié; je resiste 6 semaines à l’envie que j’avois de coucher avec la meuniere, mais voyant que l’animal de mon corps coutinuoit dans son desir, j’ay bien veu que cest[6] esprit m’avoit esté donné au lieu de celuy de blaspheme, et ainsi j’ay accompli la volonté du St. esprit en me soumettant à l’esprit qu’il m’avoit envoyé. Sie sagen auch, man solle nie bitten umb ewig seelig zu werden, denn das were zu interessirt, undt man müße beständig Gott lieben, käme man gleich in die ewige verdamnuß. Dieß alles solle gantz Molinos[7] opinion sein, undt von mad. Guion[8] ist sie fortgepflantzt worden. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. Juli 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 337–338
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0347.html
Änderungsstand:
Tintenfass