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Brief vom 25. Dezember 1698

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


365.[1]


[351]
Versaille den 25. December 1698.
In dießem augenblick komme ich auß der kirch undt vom heyl. abendtmahl, undt nachdem ich meine schuldigkeit bey Gott dem allmächtigen abgelegt, komme ich sie jetzt bey mein hertzlieb ma tante abzulegen. … Wie ich sehe, so gehen die posten bey E. L. noch ebenso unrichtig alß die unßerigen hir; ich glaube, es muß was sonderliches dahinter stecken; es ist nichts verdrießlichers alß mitt verlangen auff brieffe zu warten. Ich befinde mich nicht recht woll seyder etlichen tagen; mein miltz hatt sich übergoßen undt mir met verlöff met verlöff so einen starcken durchlauff verursachet, daß ich gantz abgematt davon bin; ich hoffe, es wirdt mich ein wenig schmeller machen. … Mad. de Lansi[2] hatt eine niece hir, so sich eher über ihrer tante todt getröstet hatt, alß vielleicht mad. des Ursins[3] thun wirdt, denn sie hatt die gantze nacht landsknecht gespielt, welches man ihr gar nicht woll außgedeutt hatt. Louvoy[4] hatt nicht so lang gelebt, ist von menschenhänden gestorben, also die gerochen worden, so er geplagt hatte … Galanterien seindt gar gemein hir im landt, seindt aber nicht alle so tragique. Hette man die printzes von Allen[5] auff gutt teütsch undt nicht a la françaisse erzogen, [352] hette man nicht so viel unglück ahn dießelbe erlebt. Die duchesse de Bourgogne thut alles was sie will; gefielen die comedien I. L., würde sie ’nein gehen. Ich weiß nicht, ob man meine brieffe geleßen undt sie darauff longirt, allein sie ist nicht mehr ahn taffel, sie ist nun still undt gravitätisch vor sich weg, singt nicht mehr noch hüpfft, wie sie thate, noch steckt die handt nicht mehr in alle schüßeln, summa: man hatt sie gantz corrigirt; mein brieff hatt zu waß genutzt, wie ich sehe, undt es ist viel, daß man gefunden, daß ich recht habe in dießem fall. Ich kan noch alle lutherische lieder, so ich zu Hannover gelernt habe; waß man in seiner jugendt gesungen, vergist man selten. … Ich kan den Czaar nicht begreiffen, seine schwester[6] haben leben zu laßen, da sie ihm alles übels ahnthate, undt nun, da er wider auß christlichen undt nicht so wilden ländern kompt, alß das seinige ist, also zammer[7] solte geworden sein, undt seine schwester in ein closter steckt, wo sie ihme nichts mehr zu leydt thut; daß er sie dan wider abstrafft undt köpffen lest, kompt mir viel abscheülicher vor alß wenn er es gleich gethan, wie sie gegen ihn revoltirt war. Es verdriest mich recht auff ihm, denn ich hatte gutte opinion von seine gemühte, wie E. L. mir ihn beschrieben hatten … Wie kompts, daß Denemarck sich so sehr gegen das hauß Braunsweig declarirt? Das finde ich abscheülich, undt desto mehr, da es seine nähesten verwanten sein …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Dezember 1698 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 351–352
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0365.html
Änderungsstand:
Tintenfass