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Paris den 26. November 1699.
… Es ist mir woll von grundt meiner seelen leydt, daß E. L. so
viel chagrin mitt Dero herrn söhne haben; allein, unter unß geredt, ich kan
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nicht finden, daß hertzog Max undt Christian groß unrecht haben, ein
fürstenthum nicht verliehren zu wollen undt lieber regirende herrn sein wollen alß
cadets, undt es muß ihnen doch schmertzlich sein, daß ihr eygener herr vatter
sie deßen hatt berauben wollen, da sie es mitt recht pretendiren könten.
Ich kan oncle s[eelig] hirin nicht recht geben, denn durch sein testament
haben I. L. ein pome
[1] de discorde in Dero famille gesetzt, so woll zu
lang weren wirdt. Der itzige Churfürst aber hatt auch kein unrecht, zu
pretendiren, was I. L. so positivement von Dero herrn vattern s[eelig] ist
geben worden, undt je gerechter beyder theyllen pretensionen sein, je schwerer
ist es, die herrn brüder zu vergleichen. Ist mir woll recht leydt E. L. wegen;
es ist ein recht ellendt, daß man nicht völlig vergnügt undt ruhig in dießer
welt sein kan. … Es würde mich woll wunder nehmen, wenn E. L. bang
vor fewerbrunst solten sein, denn ich erinere mich noch gar woll, wie E. L.
lachten zu Kloppenburg, da sie doch schir verbrandt weren
[2] undt das fewer
bey E. L. bett herauß schlug; alle menschen admirirten E. L. fermeté undt
standthafftigkeit. Mich wundert, da Carl Moritz so viel list, daß er den tour
von der frantzöschen sprach nicht beßer lernt. Ich glaube, er wirdt E. L.
klagen, daß ich ihm so starck gepredigt habe; es ist aber ja meine schuldigkeit,
weillen Carl Moritz mir so gar nahe ist, daß ich mein bestes thue, ihn von
seinen lastern zu corigiren. Es ist woll eine rechte charitet von mein
patgen
[3], daß sie dießen armen menschen so woll leyden mag. …