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Brief vom 14. Januar 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


402.


[387]
Versaille den 14. Januari 1700.
… Wie ich auß E. L. gnädig schreiben vom 3. dießes monts ersehe, daß E. L. auß der vorbereytung gekommen, so ist mir in den sinn kommen, wie E. L. werden gehöret haben, wie der prediger, nachdem man nach der predig den psalm gesungen, ahnfragt: Ihr geliebten in dem herren, dieweill unß das wort Gottes vorhelt: erstlich unßere sünde, zum andern unßer erlößen, zum tritten die danckbarkeit, so wir Gott davor schuldig sein, so stelle einem jeden vor augen die summa der gebotten Gottes, nehmblich: du solt lieben Gott deinen herren von gantzem hertzen, von gantzer seelen, von gantzem [388] gemüht undt allen kräfften, undt deinen negsten alß dich selbst. In welchen unß der wille Gottes vorgehalten wirdt; hergegen da wir solches in unßer gewißen nicht befinden, undt daß wir deren stück nie keines gehalten, wirdt unß unßere sündt undt ellendt endtlich auch die ewige verdamnuß alß in einem spiegel vorgestelt. Derowegen frage ich euch vors erste: ob ihr mitt mir solches vor dem ahngesicht Gottes bekennet undt eüch selbst mißfallet, undt durstet eüch nach der gnaden Jesu Christi, so antwortet: ja. Hirauß sehen E. L., daß ich mich der vorbereytung noch gar woll erinere. E. L. gnädige schreiben seindt keine prophezeyungen, also viel klarer, alß des Königs Davids undt Assaphs psalmen, auch mir warlich viel ahngenehmer. Solte es wahr sein, daß die hertzogin von Eyßennach solte pietistisch geworden sein, würde sie mich jammern, aber nach so viel abscheüliche verlust würde es mich kein wunder nehmen, denn solche unglück seindt woll capabel, närisch von melancoley zu machen. Wie sie den pietisten bescheyden hatt, so übel gefunden, daß sie mitt 6 pferden fuhr, war sie noch witzig[1]. Die wittum in Teütschlandt seindt bestelt auff wie alles noch wolfeyl war undt der pracht in alles nicht so groß war, alß nun, undt man sich vergnügt auff holtzene stühl zu sitzen undt keine schöne stoff zu tragen, das golt ahnstatt in brocards hatten sie nur in ketten, welche nicht verschleyßen wie die brocards. E. L. thun woll, keine pietisten, so man hir quietisten heist, zu leyden; sie machen die leütte zu narren. Ich bin fro, daß es nur curiositet undt kein unzeittiger eyffer ist, so meinen vettern den landtgraff von Cassel nach Rom geführt hatt[2]. Ich gestehe, daß Rom der ort von der welt, welchen ich ahm meisten curiositet zu sehen hette wegen der gemähls undt antiquitetten, aber den papst undt die cardinäls mögte ich nicht sehen, das ist abgeschmackt, alle hießige cardinals außer der von Fürstenberg[3] werden biß Sambstag undt biß Montag von hir aufbrechen, umb nach Rom zu reißen; viel junge leütte von qualitet gehen mitt ihnen, werden woll nichts neues bey den cardinallen zu Rom lehrnen; denn sie können die kunst schon meisterlich, [389] welches ich glaube, daß sie eher suchen werden, alß sanct Petters kirch, so schön sie auch sein mag. Mich deücht, daß zu Augustus zeitten alles schönner undt magnifiquer geweßen alß nun; wundert mich also, daß die gärten zu Rom nicht schönner sein, alß die hießigen, insonderheit da die waßerwercke natürlich undt nicht gezwungen sollen sein, wie hir. Was noch ahngenehm in den gärten zu Rom kan sein, ist, daß man gedencken kan, wie daß die, so die gantze welt regiret haben, sich darinnen erlustiret. …
Ich habe von hertzen lachen müßen, daß E. L, sagen, daß der König von seinem alten schatten[4] nicht seye verhindert worden, von guttem humor zu sein. Freylich ist die influentz von dießem schatten groß, undt weillen der König die sonn zum sinnenbildt hatt, kan man die alte woll eine sonnenfinsternuß heißen, denn sie verdunckelt dieße sonne hir mehr alß die rechte sonn vergangen jahr geweßen; der flecken von der rechten sonnenfinsternuß vergeht in ein par stunden, dießer flecken aber wirdt wehren so lange die alte leben wirdt. … Es ist mir recht bang, Monsieur[5] wirdt kranck werden, denn ich finde I. L. eine zeit her recht melancolisch undt reveus, welches I. L. naturel gar nicht ist; der König ist ebenso in sorgen drüber alß ich. Gott gebe, daß wir uns betriegen mögen … Wie ich sehe, so passiren E. L. die predigten wie ich in vollem schlaff …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Januar 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 387–389
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0402.html
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