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Brief vom 27. Januar 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


404.


[391]
Versaille den 27. Januari 1700.
… Ich kene den cavalier gar woll, so alß ein carme[1] nach Zelle kommen ist; er hatt mir einen großen brieff geschrieben, worinen er seinen vatter verklagt undt sagt, sein vatter hette ihn hungers sterben laßen, drumb were er in alle unglück gefallen, so ihm begegnet, bittet mich, ich solle doch die sünde seiner jugendt vergeßen undt ihm ein recommandationsschreiben ahn E. L. schicken, denn er were willens, seine fortun in Teütschlandt zu machen. Er ist in der that des chevalier de Loraine undt madlle de Fiene[2] sohn, so hofffreüllen bey feu Madame meine vorfahrerin geweßen. Im palais Royal ist er nicht erzogen worden, sondern im jesuwitter colegium, ist aber, wie er noch ein kindt war, gar offt zu mir kommen, denn es war gar ein schön kindt; er ist auch noch nicht heßlich, mag nun woll 32 jahr alt sein; er heist mons. de Beauvernois undt nicht Boisgenoy, wie man E. L. gesagt hat. Er ist all sein leben wildt, desbauchirt undt mutwillig geweßen; alß ihn aber sein vatter straffen ließe, stelt er sich ahn als wenn er in sich gangen were undt devot geworden, nahm den geistlichen standt ahn [392] sich undt wurde abé. Weillen er aber in dem standt sein voriges leben wider ahnfing, so einem leben von einem filou nicht ungleich war, wolte ihn sein vatter wider einsperren laßen, er ging aber durch in Ungarn, reiste aber vorher durch Brüssel, da fandt er mons. de Veaudemont[3], zu dem sagt er: Je suis de la maison de Loraine; mons. de Veaudemont wolte es widersprechen, Beauvernois andtwortete: Ne disputte pas, je suis de la maison de Loraine tout comme vous, monsieur. Verstandt hatt der mensch undt ist possirlich. In Ungern wurde er den krieg baldt müde, wurde cartheuser. Wie er das eine zeit lang geweßen, wurde er verliebt von einer dame undt heüraht sie; wurde den heüraht auch baldt wider müde undt ging zur reine duchesse[4], sagte aber nicht, daß er carteuser, noch geheüraht were, aber daß er devotion hette, priester zu werden undt die meß zu leßen. Die Königin halff ihn geschwindt darzu, er wurde also prister, kam alß solcher wider her. Da hatt er, wie sein vatter sagt, so viel leütte betrogen undt bestollen, daß sein vatter ihn wider hatt wollen in ein cus[5] de basse fausse werffen laßen. Wie er es gemerckt, ist er durchgangen. Ich weiß nicht, warumb er sich jetzt vor ein carme außgibt, denn das ist er nie geweßen. Chevalier de Loraine hatt mich gar inständig gebetten, E. L. vor seinen sohn zu wahrnen. Man hatt dem König gesagt, Beauvernois seye reformirt geworden; E. L. können gedencken, wie böß der König auff ihn ist. Wenn er die gnade würde haben, E. L. auffzuwarten, glaube ich, daß er E. L. divertiren wirdt, denn er ist possirlich undt hatt verstandt. Seine mutter lebt noch, helt sich in einem closter auff. Die erste 5 jahr, so ich in Franckreich geweßen, hatt mir der König kein Neujahr geben, hernach aber alle jahr biß auff die zeit, daß man mich gestrafft hatt, daß ich meine kinder nicht verkauffen wolte; seyderdem aber habe ich es wider bekommen; erstlich bekame ich 3000, hernach 2000, nun aber seyder 6 jahren her nur 1000 [pistolen]. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Januar 1700 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 391–392
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0404.html
Änderungsstand:
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