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Brief vom 14. Juli 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


459.


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Versaille den 14. Julli 1701.
Es ist schwer, nicht betrübte gedancken zu haben, wenn man auß gnaden leben muß undt nicht genung hatt, sich selber freüden zu machen; das lachen helt noch schwer bey mir. Vom König entpfange ich großen trost, das ist gewiß, sonsten könte ich meinen standt nicht außstehen. Wenn der König von Monsieur s[eelig] spricht, attandrirt er sich allemahl, glaube doch, daß er denckt, wie oncle s[eelig] gesagt hatte, denn das ist gantz natürlich, man hatt woll ursach, den todt zu haßen; es ist auch eine heßliche sache drumb, daß man sich vor ewig adieu sagen muß, das gefelt mir gar nicht. … Ich kan nicht begreiffen, wie E. L. im bett schreiben können, denn mich deücht, es thut einem gar wehe in den lenden. Wenn ich nicht schlaffe, kan ich ohnmöglich eine stundt im bett daweren. Mich deücht, E. L. eßen nun spätter alß vor dießem, denn, wo mir recht ist, gingen E. L. zu meiner zeit umb 12 ahn taffel. Es ist mir leydt, daß madlle Gregu[1] Carl Moritz so übel erzogen hatt, daß er nicht ohne sauffen sein kan. Er muß ein gutt gedächtnuß haben, alle bücher so behalten zu können. Meine hoffmeisterin laße alß docktor Luthers tischreden, mich gefiehlen die historger von den gespenstern nicht übel, aber die gutte jungfer Colb wurff mir vor, daß ich hervor suchte, was ahm wenigst nutzte, allein das überige kam mir gar zu abgeschmackt [007] vor … Das gröste zeichen von lieb bey den Moscowittern ist, die weiber braff zu prügeln. Zu Heydelberg war der kehrfraw ihr mann ein Moscowitter; man fundt sie weinen, undt wie man sie fragte, warumb sie weinte, sagte sie, ihr mann hette sie nicht mehr lieb, denn es were woll 3 tag, daß er sie nicht geschlagen hette. Etlich zeit hernach, wie die fraw den hoff kehrte, ging jemandts vorbey, den schlug sie unversehens mitt dem beßen ahns bein; der kerl wurdt ungedultig, hub den stock auff undt schlug die kehrfraw; ihr mann war eben dabey, der wolte sich gleich von ihr scheyden. Man fragte ihn, auß was ursachen? Er sagte: sie ist nicht mehr mein weib, ein anderer mann hatt sie geschlagen; wenn er nicht sonsten gemeinschafft mitt ihr hette, würde er sie nicht haben schlagen dürffen. Man hatte die gröste mühe von der welt, ihn begreiffen zu machen, daß in der Pfaltz schlagen gar keine freündtlichkeit seye …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 14. Juli 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 6–7
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0459.html
Änderungsstand:
Tintenfass